Werte Leserinnen und Leser,
In den letzten Tagen war die Debatte um die Beschneidung von männlichen Säuglingen und Kindern ein wenig abgeflacht – einzig die Zirkumzisionsbefürworter der ZEIT berichteten hin und wieder von standhaften Menschen, die sich jedem Verbot widersetzen würden. Mit dem Entschluss des Bundestages und der Aussicht auf eine Regelung unter einwandfreien medizinischen Voraussetzungen und ohne dem Kind unnötige Schmerzen zuzufügen, schien das Thema ins Sommerloch abgetaucht und fürs erste erledigt.
Doch nun saß der israelische Oberrabiner Yona Metzger in der Bundespressekonferenz und hat uns allen mitgeteilt, was er von der Diskussion hält und welche Kompromisse er sich vorstellen kann. Sie werden beides bereits erraten haben, aber arbeiten wir uns langsam zur Pointe durch.
Herr Metzger hat referiert, dass ein Junge acht Tage nach der Geburt von einem ausgewiesenen Beschneider auf natürliche Weise beschnitten werden muss. Nun, das mit den acht Tagen ist keine Neuigkeit. Hingegen ist es doch spannend, was Herr Metzger denn unter der „natürlichen Weise“ versteht. Ich verstehe diesen Begriff so, wie eine Frau auf natürliche Weise ihre Kinder bekommt oder ein Schnupfen auf natürliche Weise ausgeheilt werden kann. Auch die Nahrungsaufnahme und -verdauung geschieht bei den meisten Menschen auf sehr natürliche Weise.
Aber das hat Herr Metzger natürlich nicht gemeint. Seine „natürliche Weise“ umfasst statt dessen das Verbot einer lokalen oder totalen Betäubung des Neugeborenen. Lediglich „ein Tropfen süßer Wein“ sei erlaubt, um das Kind zu beruhigen. Auch Puder oder Sprays würden offenbar von Beschneidern genutzt, um den Schmerz zu lindern. Mehr aber sei eben nicht zulässig. Er findet außerdem: „Eine Spritze fügt dem Kind mehr Schmerzen zu als die Beschneidung selbst“.
Aha. Und dann erfahren wir auch noch, was Herr Metzger von professionellen Ärzten in unseren Krankenhäusern hält, denn: Der Beschneider dürfe dabei zwar Arzt sein, aber ein Arzt, der kein Beschneider sei, sei für die Prozedur nicht zugelassen. Mit anderen Worten: man muss Beschneider, aber kein Arzt sein.
Ich hoffe, Herr Beck, Frau Künast, Herr Gabriel, Frau Merkel und all die vielen anderen Beschneidungsbefürworter im Deutschen Bundestag sind jetzt endlich auf dem Laufenden darüber, was es heißt, einer Religion die Hand zu reichen und einseitig einen umsichtigen Umgang mit diesem Thema zu versprechen. Denn die obersten Religionsführer halten von all den vorgeschlagenen Möglichkeiten, die Kinder schmerzfrei und medizinisch einwandfrei zu beschneiden, offenbar gar nichts, sondern bestehen auf ihren archaischen Bräuchen. Ganz ehrlich: alles andere wäre eine Überraschung gewesen. Musste man aber Herrn Metzger dafür die Bühne der Bundespressekonferenz geben?
Es bleibt zu hoffen, dass Herr Metzger durch seinen eindeutigen und unzweifelhaften Auftritt den Beschneidungsbefürwortern eben jenen Bärendienst erwiesen hat, dessen es bedarf, um die Diskussion wieder auf ihr rechtsstaatliches Maß zurückzuschrauben. Wer will uns jetzt noch sagen, wir seien eine Nation von Komikern, wenn die andere Seite Säuglingen offenbar ohne Einsicht und ohne Betäubung ein Stück empfindlicher Haut wegschneiden will?
Es grüßt herzlichst
Ihr JeanLuc7
P.S. Zumindest Volker Beck (Grüne) scheint die Forderung des Oberrabiners durchaus zu unterstützen. Auf abgeordnetenwatch lässt sein Team ausrichten: „Nach unserer Überzeugung ist der körperliche Eingriff einer Vorhautbeschneidung bei Jungen mit Einwilligung und vorliegender Einvernehmlichkeit der Eltern bei Einhaltung hygienischer und medizinisch-fachlicher Standards – die ein ausgebildeter Mohel durchaus erfüllt – keine Straftat.“
So ein Mohel beschneidet aber nun einmal ohne Betäubung. Was treibt Herrn Beck in dieser Sache bloß um?