Am Ziel vorbei, Herr Rose!

Wie ich heute lesen durfte, haben Sie auf der „Konferenz gegen die Verbreitung von Hass im Internet, die das Bundesministerium der Justiz veranstaltet hat, die Ausweitung von Internetsperren auch auf sogenannte „Hass-Seiten“ gefordert. Wie ich ebenfall mit Erstaunen lesen durfte, sind Sie der Meinung, dass „die Sperrung von Hass-Seiten nicht in einem Wort genannt werden könne mit Filtertätigkeiten von Diktaturen, politische Meinungen aus dem Netz zu nehmen“.

Einer der größten Vorteile in unserer freiheitlichen Demokratie ist das Recht, seine Meinung kund zu tun, und sei sie noch so seltsam und angreifbar. Natürlich gilt es gewisse Regeln zu befolgen, aber innerhalb dieser Regeln darf auch der größte Unsinn erzählt werden. So weit möchte ich in meinem Urteil über Ihre Aussagen nicht gehen. Es ist aber klar, dass sie nicht unwidersprochen bleiben dürfen, insbesondere, weil Ihre Vereinigung in Deutschland gute und wichtige Unterstützung beim Kampf gegen Rassismus, Diskriminierung und Fremdenfeindichkeit leistet.

Ich zitiere weiter:

„Prinzipiell trete der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma gegen Zensur ein.  Die Freiheit der Information im Internet diene schließlich auch dem Schutz von Minderheiten. Sinti und Roma würden aber in immer schlimmeren Maße bedroht und mit rassistischer Propaganda diffamiert. Dies stelle eine Gefahr für den Rechtsstaat dar.“

Interessant, welche Zusammenhänge Sie da herstellen. Rassistische Propaganda stellt auch in absehbarer Zukunft mit Sicherheit keine Gefahr für unseren Rechtsstaat dar, sehr wohl jedoch Internetsperren von Webseiten, selbst wenn sie propagandistische Inhalte zeigen. Dies gilt insbesondere, wenn die Sperren geheim und nicht nachvollziehbar vom BKA festgelegt werden. Ich bin schon sehr gespannt, welche Webseiten Sie als „zugelassen“ und welche als „hassbeladen“ charakterisieren werden. Mein persönlicher Tipp: fangen Sie mit den offiziellen Webseiten der religiösen Gruppierungen an. Da werden Sie viel Hass finden. Aber diese Leute haben Sie vermutlich gar nicht im Blick.

Und weiter heißt es:

“Neben einer Vereinbarung zu Sperren mit der Internetindustrie machte sich Rose für die Einrichtung einer europäischer Aufsichtsstelle im Stile der von den Bundesländern getragenen Organisation jugendschutz.net oder des 18 Länder umfassenden International Network Against CyberHate (INACH) stark. Diese sollte das Internet laufend überwachen und auf eine Sperrung ausgemachter Seiten hinwirken.“

Eine laufende Überwachung – damit outen Sie sich nicht wirklich als Internetspezialist. Eine solche Kontrolle ist nach heutigen Maßstäben nicht einmal in China und Iran möglich, wo die Regierungen keinerlei Hemmungen haben, alles und jeden zu durchleuchten. Dass Sie die Kontrolle mit dem Jugendschutz verknüpfen, mag auf den ersten Blick clever sein. Aber im Gegensatz zur Kinderpornographie sind hier keine Kinder betroffen – möglicherweise sind aber Jugendliche die Konsumenten dieser Seiten.

Und damit sind wir beim Hauptproblem angekommen: Wenn Jugendliche solche Hass-Seiten konsumieren und sich mit den dortigen Parolen identifizieren, sind nicht etwa bloß die Seiten gut gemacht. Nein – dann ist in den bereits vergangenen Erziehungsjahren dieser Jugendlichen eine Menge falsch gelaufen.

Jugendliche werden nicht wegen ihrer Gene zu Nazis. Sie werden aber auch nicht als Fans des demokratischen Rechtsstaats geboren. Dahin muss man sie erziehen, und das geht am besten, wenn man selbst Fan oder Befürworter dieser Staatsform ist. Glauben Sie wirklich, dass Zensurforderungen – und bitte entschuldigen Sie, aber genau darum handelt es sich hier – die Liebe zur freiheitlichen Demokratie ausdrücken?

Hass in den Köpfen können wir nicht bestrafen, aber wir können ihn vertreiben und bekämpfen – mit Worten, nicht mit Verboten und auch nicht, indem wir einfach Stopp-Schilder vor jede uns nicht genehme Seite setzen. Frau Ministerin Zypries sagte auf der Konferenz: „Nur mit dem Strafrecht kommen wir nicht weiter … Online wie Offline wird es entscheidend darauf ankommen, dass Staat und Zivilgesellschaft gemeinsam handeln.“ Damit hat sie recht.

Neben Frau Ministerin Zypries hat sich auch der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, in der Frage nach Sperren sehr zurückgehalten. „Wir haben nicht die Illusion, dass wir diese Dinge unmittelbar aus dem Netz entfernen können“. Die rechtlichen Schwierigkeiten seien zu groß. Es sei daher wichtig, „die gesellschaftlichen Kräfte zu mobilisieren, um dem Hass entgegenzutreten“. Auch ihm ein Dankeschön für seine Besonnenheit.

Es grüßt Sie

JeanLuc7

Romani Rose ist Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma und deutscher Bürgerrechtsaktivist. (Quelle: wikipedia.de)

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