Kampf der Titanen – und alle auf die Kleinen

Werte Leserinnen und Leser,

In den letzten Tagen ist der seit Monaten schwelende Streit um die Einspeiseentgelte zwischen den Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ÖR) und der Kabel Deutschland GmbH eskaliert. Kabel Deutschland (KDG) hat nun mitgeteilt, ab dieser Woche die Bitraten der eingespeisten öffentlich-rechtlichen Sender zu verringern und regionale Sender teilweise nicht mehr einzuspeisen. Das bedeutet ein schlechteres Bild und weniger Sender zum selben Preis wie bisher. Man kennt das aus der Lebensmittelindustrie.

Worum geht es? Die ÖR haben einen Vertrag gekündigt, der den Kabelgesellschaften jährlich 60 Millionen einbrachte – in diesem Vertrag wurde geregelt, was die ÖR zu zahlen haben, damit ihre Angebote im Kabel zu sehen sind. Im vergangen Jahr nun haben die ÖR festgestellt, dass eine Zwangsverpflichtung zur Verbreitung ihrer Programme besteht – und meinen daher, nun nichts mehr zahlen zu müssen. KDG hingegen meint, eine Zwangsverpflichtung zur Verbreitung ziehe auch eine Zahlungsverpflichtung nach sich. Beide Argumente sind verständlich, weshalb wohl ein Gericht wird entscheiden müssen.

Nun hat jedoch Walther Kehr, beim MDR als Pressesprecher und Leiter der Hauptabteilung Kommunikation beschäftigt, den Vorgang eingeschätzt als „freie unternehmerische Entscheidung eines Anbieters, der im Wettbewerb steht„. Zudem gebe es zahlreiche andere Anbieter, sodass „genügend Empfangsalternativen für die Zuschauer zur Verfügung stehen„.

Offenbar ist Herr Kehr kein intimer Kenner des deutschen Kabel-TV-Marktes. Sicherlich wohnt Herr Kehr nicht in einer durch den Vermieter verkabelten Mietwohnung, denn dort sind Empfangsalternativen mit gleicher oder besserer Qualität schlicht nicht gegeben. Eine Satellitenschüssel darf der Mieter nicht montieren, IP-TV ist technisch bedingt in vielen Wohngebieten nicht verfügbar, und DVB-T wird man wohl kaum als Alternative bezeichnen wollen, da dort die Qualität noch schlechter und das Senderangebot erheblich geringer ist – das mag man sich auf heutigen Großbildfernsehern nicht mehr antun.

Tatsächlich ist nicht zu erkennen, dass Kabel Deutschland bei der Mehrzahl der zwangsverkabelten Miethaushalte in Deutschland in irgendeinem Wettbewerb steht – ein Anbieterwechsel etwa zu UnityMedia oder KabelBW ist nur durch einen Wohnortwechsel (und nicht etwa innerhalb einer Stadt) möglich und liegt daher wohl außerhalb der denkbaren Alternativen.

Ich bin kein Freund der Vermarktungsstrategien der KDG. Deren bockiges Festhalten an der Grundverschlüsselung digitaler Sender ist nach wie vor einer der größten Hemmschuhe beim Umstieg auf digitales Fernsehen und hat zudem den freien Receivermarkt im Kabelbereich praktisch ausgehebelt. Dennoch: Als Zwangszahler einer Haushaltsabgabe an die Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erwarte ich als Kunde, deren Leistungen in technisch bester Qualität präsentiert zu bekommen. Wenn hierfür ein kleiner Teil meiner Haushaltsabgabe verwendet wird, halte ich dies für absolut akzeptabel.

Ich verstehe auch den Wunsch der Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, nicht für etwas zu zahlen, was gesetzlich sowieso verbreitet werden muss. Die Aussage des Herrn Kehr macht sich aber nun die Argumentation der KDG zu eigen und verfolgt nicht einmal im Ansatz die Interessen der Zuschauer. Ein „Das ist deren Entscheidung und der Kunde hat ja Alternativen“ funktioniert vielleicht in einem echten Markt – der Kabelmarkt besteht aber aus lokal aufgeteilten Monopolen ohne echte qualitative Alternative.

Liebe Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten: bitte führen Sie diesen Kampf bilateral mit KDG und lassen Sie nicht zu, dass wir Kunden die leidenden Dritten sind – auch nicht temporär. Ich zahle meine Haushaltsabgabe gern – aber ich erwarte auch, dass die Leistung stimmt, die ich dafür erhalte – inhaltlich, aber auch in der technischen Qualität.

Und, liebe ÖR’s, prüfen Sie bitte zukünftig sorgfältig, welche Meinungen und Ansichten Ihre Pressesprecher verbreiten. Manchmal ist es besser, nicht zu reagieren.

Es grüßt herzlich,

Ihr JeanLuc7

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