Eine Rechtsstaatskrise?

Werte Leserinnen und Leser,

Extremisten, gleich welcher Farbe, sind mir ein Greuel. Man kann mit ihnen nicht vernünftig reden, sie neigen zur Gewalt und zu Schwarz-Weiß-Sichten und verweigern anderen gerne das Recht, das sie für sich wie selbstverständlich in Anspruch nehmen.

Heute möchte ich über einige Extremisten in Sachsen berichten:

  1. In Dresden endete am 17.01. ein Prozess gegen ehemalige Mitglieder des “Sturm 34″, einer organisierten Schlägerbande, die offenbar Kontakte zur NPD pflegte. Dies soll zumindest aus Ermittlungen der Polizei hervorgehen, wie es nun vor Gericht hieß. Das Landgericht Dresden hatte sich bereits vor Jahren mit der Neonazi-Gruppe beschäftigt, wollte 2008 aber nicht erkennen, dass es sich um eine kriminelle Vereinigung handelt. DEr Bundesgerichtshof hatte das Urteil aufgehoben – nun entschied das Landgericht Dresden dass fünf Rädelsführern der verbotenen Neonazi-Gruppierung Sturm 34 wegen schwerer Körperverletzung, Sachbeschädigung und Bildung einer kriminellen Vereinigung zu verurteilen seien: zu Bewährungs- und Geldstrafen.
  2. Ebenfalls am 17.01. endete der Prozess gegen einen 36-jährigen Antifaschisten, der am 19. Februar 2011 per Megafon das Durchfließen einer Polizeikette koordiniert beziehungsweise dazu aufgefordert haben soll, was schließlich zu Verletzungen bei Polizeibeamten geführt habe. Obwohl weder Zeugen noch ein Polizeivideo den Angeklagten zweifelsfrei und eindeutig identifizieren konnten, lautete das Urteil auf eine Haftstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten ohne Bewährung wegen Körperverletzung, Beleidigung und besonders schwerem Landfriedensbruch.
  3. Nach allem, was  vom zuvor beschriebenen Fall bekannt ist, sollte auch der Vorsitzende Richter am Amtsgericht Sachsen nicht unerwähnt bleiben. Für sein Urteil war für den Richter eine unmittelbare Tatbeteiligung des Angeklagten nicht entscheidend – seine Begründung lautete vielmehr: “Was andere getan haben, müssen Sie sich mit anrechnen lassen” sowie “Irgendwann hat die Bevölkerung in Dresden es mal satt.” Der Richter erhebt sich also zum Sprachrohr einer vermeintlichen Mehrheitsbevölkerung und deren Meinung und fällt damit begründet abschreckende Urteile. Er rechnete dem Angeklagten in seiner Urteilsbegründung auch negativ an, dass dieser sich nicht selbst zur Sache geäußert habe – und zweifelt damit eines der Grundrechte von Beschuldigten an, nämlich sich von Anwälten vertreten zu lassen.

Sehr sicher wird es – zumindest im Falle des 36-jährigen Antifaschisten – eine Verhandlung in nächster Instanz geben, die hoffentlich mit einem Freispruch endet. Aber nach wie vor scheint es in Sachsen – wenn man die gefällten Urteile und die sträflich-leichtsinnige Behandlung der NSU betrachtet – besser zu sein, eine neonazistische kriminelle Vereinigung zu gründen, als gegen Neonazis zu demonstrieren.

In den letzten Jahren haben die sächsische Justiz und Polizei wiederholt die Proteste gegen Naziaufmärsche in Dresden behindert oder sabotiert. Plakate wurden beschlagnahmt, Hausdurchsuchungen durchgeführt, die Website des Bündnisses gegen Rechts abgeschaltet, Telefonanschlüsse überwacht und zahlreiche Busse von Antifaschisten kilometerweit vor der Stadt aufgehalten. Einem Dresdner Pfarrer wird noch immer vorgeworfen, neben der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, die in Sachsen Jagd auf Nazis gemacht haben soll, “aufwieglerischen Landfriedensbruch” betrieben zu haben.

Am 16.01. bestätigte übrigens die Stadt Dresden die Anmeldung einer erneuten Nazidemonstration in Dresden zum 13.02.2013. Rund 1000 Personen wurden für die Naziveranstaltung angemeldet. Wir werden sehen, wie der sächsische Staatsapparat in diesem Jahr darauf – und auf die angekündigten Gegenmaßnahmen der Antifa reagieren wird. Nebenbei werden die Behörden sicher wieder eine millionenfache Funkzellenabfrage starten und diese für legal erklären.

In unserer Verfassung wird der schleichende Rechtsstaatverfall nicht erwähnt – man glaubte sich durch die Schaffung spezieller Organe (Verfassungsschutz!) und die Aufteilung von Verantwortlichkeiten durch den Föderalismus davor sicher. Es scheint, als gehe diese Rechnung in Sachsen nicht mehr auf.

Es grüßt

JL7

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