Werte Leserinnen und Leser,
Für den geneigten Betrachter ist es zuweilen schwer zu erkennen, welche Differenzierungsmerkmale die einzelnen Parteien in gewissen Themen noch aufweisen. So tritt die Linke schon lange für einen Mindestlohn ein, SPD und Grüne haben das Thema nach ihrer Abwahl im Jahr 2005 bzw. 2009 ebenfalls entdeckt, und inzwischen erwärmt sich sogar die CDU dafür. Man streitet noch um die Höhe, und manche Aussage eines Gutverdieners („8,50€ sind zuviel“ – Christoph Schmidt, Wirtschaftsweiser) werden durchaus diskutiert. Das generelle Thema ist aber erledigt, die FDP als einzige Nein-Sager-Partei wird sich fügen müssen. Aussagen wie die des DIHK-Arbeitsmarktexperten Achim Dercks, die Einführung von Mindestlöhnen sei ein beschäftigungspolitischer Irrweg, werden die Parteien nicht davon abhalten, diesen Weg zu beschreiten.
Ebenso bei der Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften, stark verkürzt auch gerne als „Homo-Ehe“ bezeichnet, obwohl sie auch von Heterosexuellen eingegangen werden kann: Wer heute noch dagegen antritt, hat morgen schon verloren – beim Bundesverfassungsgericht und bei den meisten Bürgern.
Die derzeit diskutierte Frauenquote für Führungskräfte hat da einen ganz anderen Stellenwert. Es geht bei dieser Diskussion um etwa 500 Führungsposten in Unternehmen mit mehr als 20.000 Arbeitnehmern, also nicht etwa um eine generelle Quote für Arbeitsplätze – so etwas haben die meisten Unternehmen ohnehin längst. Auch in der Politik ist die Quote längst angekommen; die Linke, SPD und Grüne vergeben Posten inzwischen nicht nur nach Frauen-, sondern auch nach Migrantenquoten. Die FDP als einzige Nein-Sager-Partei und Männerdomäne wehrt sich mit Händen und Füßen.
Das bringt uns zur CDU. Dort hat man dieser Tage das Kunststück erlernt, einen nur sechs Monate alten Parteitagsbeschluss durch die Hintertür zu entsorgen, weil Zensursula von der Leyen öffentlich darüber nachdachte, einen Antrag der Opposition zu unterstützen, die genannten 500 Arbeitsplätze per Quote zu regeln, weil man den Frauenanteil hier offenbar nur mit dem Mikroskop entdecken kann.
Ich kann nicht umhin, Frau von der Leyen einmal zu gratulieren. Ich bin selbst kein Freund dieser speziellen Quote – man lernt in Seminaren zur Mitarbeiterführung sehr früh, Jobs so weit wie möglich nach Fähigkeiten zu besetzen, was insbesondere auch für Führungsjobs gilt. Inwieweit in diesem Zusammenhang „Geschlecht“ eine positive oder negative Fähigkeit ist, will sich mir nicht recht erschließen. Dennoch: die Bundeskanzlerin öffentlich zu düpieren, indem man ihre Entscheidungsunlust ausnutzt, das hat etwas. Nun hat Frau von der Leyen also eine Quote erstritten, und sei sie nur Wahlprogramm und erst ab 2020 umzusetzen.
Das dicke Ende folgte jedoch sogleich: Nachdem man in der CDU die Streithennen befriedet hatte und alle den Köder „Wahlprogramm 2020“ geschluckt hatten, kamen die Grünen und banden wie weiland Max und Moritz die Schnüre der Köder zusammen und änderten rasch ihren eigenen Antrag auf Einführung einer Quote, so dass er exakt und wortgleich dem Entwurf der CDU entsprach. Und die CDU? Sie machte es im Bundestag wie Buschs Hühner: Jedes legt noch schnell ein Ei – und dann kommt der Tod vorbei. Man lehnte daher im Bundestag den eigenen Vorschlag ab, denn er kam schließlich von den Grünen.
Ob die CDU hinter der Spiegelung ihres eigenen Vorschlags wohl ein bundestrojanisches Pferd vermutete?
Es grüßt herzlich,
Ihr JeanLuc7