Werte Leserinnen und Leser,
die SPD hat es derzeit nicht leicht. Ihr designierter Kanzlerkandidat Steinbrück stolpert nach wie vor von Fettnapf zu Fettnapf, die CDU nimmt ihr Stück für Stück die Themen weg (Atomausstieg, Mindestlohn, Frauenquote, Rente), und die Wähler wollen auch nicht so recht, sofern man den Umfragen Glauben schenken möchte.
Schuld sind aber nicht die anderen, sondern die SPD selbst. Steinbrück ist kein Unbekannter, sondern guter Freund von Helmut Schmidt – und der war zu Regierungszeiten zuletzt beim Gegner beliebter als beim eigenen Wahlvolk. Steinbrück hat als Finanzminister die Schweiz mehrfach in die Ecke von Schurkenstaaten gerückt und erhebliche diplomatische Verwicklungen verursacht. Man wusste also, worauf man sich einlässt.
Hier soll aber nicht wieder von Steinbrück die Rede sein, sondern von der Bundestagsfraktion der SPD. Die versteht sich nämlich inzwischen als verlängerter Arm der schwarzgelben Koalition. Bei der Diskussion um die Zypern-Milliardenhilfe am 19. April verkündete Walter Steinmeier am Mikrofon im Deutschen Bundestag zunächst, seine Fraktion werde für die Zypernhilfe stimmen, um sich dann eine weitere Viertelstunde abzumühen und zu erklären, warum man mit Merkels Wirtschaftskurs nicht einverstanden wäre und es selbst viel besser könne.
Aber Herr Steinmeier! Wenn Sie es viel besser können, dann machen Sie es! Es kann doch nicht sein, dass Sie immer wieder Merkels alternativlosen Wankelkurs stützen, bloß weil Sie die Wahl bereits verloren geben und sich schon auf den Ministersessel im Außenamt freuen, den Sie an Herrn Westerwelle abgeben mussten. Und Ihre ganze Fraktion macht mit – haben die auch schon alle Vorstellungen entwickelt, wo sie ihr Auskommen finden werden in einer Neuauflage der Großen Koalition?
Ein paar andere Beispiele aus jüngster Zeit:
- Beim Leistungsschutzrecht verkündet Steinbrück zunächst, man werde das Gesetz im Bundesrat verhindern. Dann taucht ein verdächtiger Paragraph im Wahlprogramm der SPD auf, der die Einführung eines eigenen Leistungsschutzrechts verkündet, und schließlich tritt Steinbrück vor die Kameras, um zu erklären, man werde das Gesetz passieren lassen, denn bei einem Wahlsieg werde man es durch ein viel besseres ersetzen lassen. Pardon – offenbar hat die SPD immer noch nicht kapiert, dass dieses Gesetz nicht bloß schlecht gemacht, sondern in sich unsinnig ist.
- Die Neuregelung der Bestandsdatenauskunft – vom Bundesverfassungsgericht verlangt, weil der alte Entwurf zu weit gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstieß – gerät zu einer Fanatiker-Farce, weil alle Mitwirkenden im Innenausschuss nur daran dachten, wie man die Bürger noch effizienter ausspionieren kann – mit dem Ergebnis eines Entwurfs, der ganz sicher wieder gegen die Verfassung verstößt. Bis er vom BVerfG kassiert werden wird, vergehen zwei gute Polizei- und Geheimdienstjahre mit fast freier Verfügbarkeit privater Daten. Ich kann immer nur wieder fragen: Wie kann eine Partei mit Eurer Vergangenheit und solchen Erfahrungen einer derartigen Überwachungsmentalität erliegen? Unter Kurt Schumacher wäre das nicht passiert.
- In der EU-Finanzpolitik hat die SPD nicht ein einziges Mal mit „Nein“ gestimmt, von einzelnen Abgeordneten abgesehen. Man sichert so regelmäßig eine Mehrheit im Parlament, die Merkel in ihrer eigenen Koalition längst nicht mehr hat („Kanzlermehrheit“). Und man gaukelt den Wählern vor, dass Merkel Recht hat mit ihrem Geschwätz von „Alternativlosigkeit“. Auf die SPD ist eben Verlass, 1914 ebenso wie 2013.
- Die SPD könnte die Bundesratsmehrheit nutzen, um Gesetzesentwürfe zu platzieren und damit ihr Profil zu schärfen. Diese Gelegenheit haben bisher aber nur die Grünen genutzt mit ihrer Frauenquotenregelung.
Steinbrück hat beim gerade beendeten SPD-Parteitag verkündet, er „könne Kanzler„. Seine Partei kann nicht mal Opposition.
Es grüßt herzlich,
Ihr JL7