Werte Leserinnen und Leser,
eine meiner liebsten TV-Serien ist derzeit „House of Cards„. Dort baut ein bei der Postenauswahl für die neue US-Regierung übergangener Kongressabgeordneter ein Netz von Intrigen, um letztlich sein Ziel zu erreichen, Vizepräsident zu werden. Die Serie bedient dabei alle Vorurteile, die unsereins von Politikern hat: korrupt, intrigant, moralisch verkommen, alkoholkrank und krankhaft erfolgsgeil sind sie offenbar, unsere Politiker.
Abseits der Serie besteht immer wieder Hoffnung, dass die Realität doch ein wenig zahmer daherkommt: bei uns landen die Bösen am Schluss vor Gericht, statt vom Helden erschossen zu werden, bei Kohls Spendenaffäre ging es nur um ein paar Millionen aus sogenannten jüdischen Vermächtnissen, und was Barschel umtrieb, ist selbst nach 25 Jahren nicht bekannt. Unsere Ungeheuerlichkeiten drehen sich mehr um Steuerhinterziehung, Einladungen zu Hotelübernachtungen und kopierte Doktortitel.
Umso erstaunlicher ist ein Vorgang, der sich hinter den Kulissen bei der CDU im Rahmen der Diskussion um die Frauenquote abspielte. Für uns alle offensichtlich hatte die Opposition zum 18. April im Bundestag ein Gesetzesvorhaben eingebracht, über das gemäß den Regeln des Parlaments abgestimmt werden musste – und so weit ist das auch korrekt.
Wie aber konnte es überhaupt zu der Gesetzesvorlage kommen? Dazu muss man wissen, dass das Land Hamburg am 21. September 2012 im Bundesrat einen Gesetzentwurf einbrachte, der seinerzeit mit den Stimmen der SPD-Grüne-regierten Länder und des Saarlands beschlossen wurde. Das Saarland hat mit Frau Kramp-Karrenbauer eine CDU-Ministerpräsidentin, die offen mit der Einführung einer Frauenquote für Aufsichtsräte sympathisiert.
Vom Bundesrat aus ging der Gesetzesentwurf wie formal vorgesehen in den Rechtsausschuss des Bundestages, wo er zunächst beraten werden sollte. In diesem Ausschuss besitzt die Koalition eine Mehrheit, mit der sie den Antrag annehmen, ablehnen oder verschieben kann. Eine solche Verschiebung kann auch bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag wiederholt werden – genau genommen bis zum Ende der Legislaturperiode, denn dann verfallen dank des Diskontinuitätsprinzips alle noch nicht beschlossenen Gesetzesentwürfe automatisch. So hätte es nach dem Plan der Koalitionsspitzen auch dem Gesetzentwurf zur Frauenquote ergehen sollen, und die Welt wäre weiterhin in MännerhandOrdnung gewesen.
Man hatte aber die Rechnung ohne die Ausschuss-Mitglieder gemacht. Beginnen wir mit dem Vorsitzende des Rechtsausschusses: Siegfried Kauder ist Bruder des Fraktionschefs Volker und in letzter Zeit bereits durch allerhand unorthodoxe (= nicht auf CDU-Linie liegende) Vorschläge aufgefallen, beispielsweise durch ein Gesetz zur Strafbarkeit von Abgeordnetenbestechung. Diese Aufsässigkeit mag auch in Zusammenhang damit stehen, dass Siegfried Kauder dem kommenden Bundestag nicht mehr angehören wird, weil sein Wahlkreis ihn nicht mehr nominiert hat.
Herr Kauder setzte also den Gesetzesentwurf auf die Liste der zu behandelnden Themen des Rechtsausschusses und stellte einen Antrag auf Abstimmung. Wie zu erwarten, stimmten die der Koalition zugehörigen Teilnehmer für eine Ablehnung des Antrags. Es fällt auf, dass auch die CDU-Abgeordneten Winkelmeier-Becker, Wanderwitz und Luczak mit „Nein“ stimmten, obwohl sie doch für die Frauenquote eintreten.
Nun muss man wissen, dass in einer parlamentarischen Demokratie immer der Bundestag das letzte Wort hat. Der Rechtsausschuss soll nur die Beratung vereinfachen, indem mögliche Probleme in Gesetzen schon vorab gefunden und geklärt werden. Deshalb setzte das „Nein“ der CDU-Abgeordneten einen Automatismus in Gang, der am 18. April zu einer Beratung und Abstimmung im Bundestag führte. Hätten die Abgeordneten für eine Verschiebung gestimmt, wäre alles ruhig geblieben.
Es steht nun außer Frage, dass zumindest Kauder (der später im Bundestag als einziger CDU-Abgeordneter den Entwurf nicht ablehnte) und die wenigen Pro-Quote-Abgeordneten wussten, was sie taten, als der Gesetzesentwurf auf die Agenda des Ausschusses gelangte und zur Abstimmung kam. Die meisten waren hingegen später erstaunt, dass ihr eigenes Verhalten die große Bühne für die Frauenquote – und deren spätere Fixierung im CDU-Wahlprogramm – erst möglich gemacht hat.
Da hat sich die CDU-Führung einmal richtig schön austricksen lassen. Das beste daran: alles ist mit legalen Mitteln geschehen und offen sichtbar vor den Augen aller. Insofern ist die Realität dann doch zahmer als „House of Cards“, wo dieselben Tricks einher gehen mit Geheimniskrämerei, Lüge, Betrug und (Vorsicht, Spoiler!) Mord.
Wenn nun die Rechtsaußen-Frontfrau Steinbach deswegen Konsequenzen fordert, dann zeigt sie nur das Verhalten des schlechten Verlierers, der vorher zu blöd war zu erkennen, was offen vor ihm liegt. Man sollte sich fragen, wer den besseren Job macht: Abgeordnete, die wissen, wie der parlamentarische Betrieb funktioniert und ihn nutzen – oder solche, die nichts blicken und hinterher des Nachts auf Twitter krakeelen.
Es grüßt herzlich
Ihr JeanLuc7