Werte Leserinnen und Leser,
im vergangenen Jahr zeigte RTL die erste Staffel einer Serie namens „Person of Interest„. Darin ist die Rede von einem gigantischen Computer, der „Maschine“, die alle möglichen Informationsquellen der USA bündelt, um terroristische Aktivitäten zu erkennen und davor zu warnen. „Normale“ Straftaten lässt sie jedoch unberücksichtigt – die Storyline der Serie dreht sich darum, eben diese frühzeitig erkannten verbrecherischen Aktivitäten zu unterbinden und Straftaten zu verhindern.
Das schöne an dieser Serie ist der gewisse Grusel, den man bei der Vorstellung einer solchen Maschine empfindet. Ebenso wie bei Geschichten über Vampire, Außerirdische, Orks und geklonte Dinosaurier wickelte man sich ein wenig tiefer in die Sofadecke und wusste im tiefsten Inneren: Dies ist nicht die Realität. Sowas gibt’s nicht.
Aus und vorbei. Sowas gibt’s, es heißt PRISM, läuft bei der NSA, zapft alles und jeden an und kann in Echtzeit mitlesen, wenn ich diese Zeilen schreibe. Angeblich ist alles rechtlich ok und sowieso werden nur Nicht-US-Bürger abgehört (Wo hab ich bloß meinen US-Pass? Ach ja, gar nicht…), und wer nichts zu befürchten hat, hat auch nichts zu befürchten. Die FAZ kann dem ganzen sogar noch etwas gutes abgewinnen:
„Wer vom Staat erwartet, Freiheit und Sicherheit zu gewährleisten, der wird ihm den kontrollierten Zugriff auf vorhandene Daten zum Schutz von Leib und Leben nicht verwehren können.“
Gut. Dann möge es hier bitte erklärt und für alle Zeiten im großen weiten Internet festgehalten sein: Ich erwarte, dass mein Staat vor allem meine Freiheit gewährleistet. Echte Sicherheit gibt es nicht – oder wie sonst sind mehr als 100 tote Bostoner Bürger beim Anschlag vom 15.04.2013 zu erklären? Ach so, ja – die Attentäter waren US-Bürger. Merken Sie, wo das Problem sitzt? Und noch eins: Ich verwehre dem Staat den kontrollierten Zugriff auf meine privaten und persönlichen Daten so weit wie möglich.
Denn mein Staat kann – und das ist der wesentliche Unterschied zur Datensammelei von Facebook, google & Co – mich anklagen und einsperren. Wie man im Falle des Jenaer Pfarrers Lothar König erkennen kann, tut er das manchmal auch völlig schamlos mit Falschaussagen und ohne stichhaltige Beweise. Diese Gefahr für Leben und Freiheit hat eine ganz andere Dimension als ein paar nutzerbezogene Werbebanner auf Facebook.
Wer mag denn heute noch glauben, dass all diese Überwachung mit BKA-Trojanern, Video-Kameras, INDECT, Vorratsdatenspeicherung und Bestandsdatenauskunft nur zur Jagd auf Terroristen dient? Haben wir in Frankfurt nicht gerade gesehen, wie der Staat mit Oppositionellen umgeht? Haben nicht die Medienfirmen mit am Bestandsdatengesetz formuliert, um möglichst einfach ihr Urheberrecht verteidigen zu können? Am Ende werden sich diese neuen Waffen des Staates gegen uns selbst richten.
Wenn der aktuelle Skandal um PRISM eine positive Auswirkung haben kann, dann jene, dass jetzt mehr Menschen aktiv gegen den Überwachungswahnsinn protestieren. Ich schließe mit einem Zitat von Benjamin Franklin, den es in der heutigen Zeit sicher sehr gegruselt hätte:
„Diejenigen, die bereit sind, grundlegende Freiheiten aufzugeben, um ein wenig kurzfristige Sicherheit zu erlangen, verdienen weder Freiheit noch Sicherheit.“
Es grüßt herzlich
JL7
P.S.: „Person of Interest“ taugt nun wohl nicht mehr zum Gruseln – aber zum Angst-Einflößen.