Werte Leserinnen und Leser,
Vielleicht kennen Sie das: manche Fragen kann man weder mit Nein oder Ja beantworten, obwohl das die semantisch korrekten Antworten wären. Stellen Sie sich einmal vor, jemand fragte Sie: „Schlagen Sie Ihre Kinder eigentlich immer noch“? Man mag das „Kinder“ gegen einen beliebigen anderen Verwandten austauschen – besser wird es dadurch nicht. Unabhängig von der Antwort stehen Sie automatisch im schlechten Licht.
In der Politik funktioniert dieses Spiel ein wenig anders. Dort lautet der Vorwurf im Rahmen einer mehr oder weniger wichtigen Staatsaffäre gewöhnlich „Er hat’s gewusst!“. Unser Verteidigungsminister hat vor kurzem mit dieser Falle Bekanntschaft gemacht, als er behauptete, vor dem 13. Mai 2013 nichts von den Problemen mit EuroHawk gewusst zu haben. Dann tauchen, Stück für Stück, Dokumente auf, die das Gegenteil belegen, und nun beginnt das mühsame Spiel darum, inwieweit die Ministeraussage dehnbar ist. Das Spiel endet gewöhnlich damit, dass die Aussage irgendwann überdehnt und der Minister der Lüge überführt und entweder dauerhaft beschädigt ist oder zurücktritt.
Diesmal hat Sigmar Gabriel (SPD) die Falle aufgestellt, indem er in einem FAZ-Gastbeitrag Frau Merkel im Rahmen des NSA-Spionageskandals der Mitwisserschaft bezichtigte. „Die Reaktion der Kanzlerin lässt den Verdacht zu, dass ihr die Ausspähung … zumindest dem Grunde nach durchaus bekannt war“. Gabriel verlangt von Merkel, „zu sagen, ob sie davon gewusst und es geduldet hat. Frau Merkel reagierte impulsiv und schickte ihren Sprecher Seibert voraus, der folgendes verkündete:
Das Vorgehen des SPD-Vorsitzenden, der Bundeskanzlerin Mitwisserschaft an flächendeckenden Ausspähungen zu unterstellen, ist angesichts berechtigter Sorgen vieler Menschen um den Schutz ihrer Privatsphäre zynisch“
Diese Aussage wird von öffentlicher Seite als Zurückweisung angesehen. Allerdings war bereits vor dem Skandal bekannt, dass der US-Geheimdienst NSA bereits in den 90er Jahren mittels der Echelon-Abhöranlage in Bad Aibling deutsche Unternehmen abgehört hat. Die Hackerstatistik des Jahres 2012 zeigt zudem, dass drei Nationen für mehr als die Hälfte aller Cyber-Attacken verantwortlich sind: China (33 Prozent), die USA (13) und Russland (5). Von den deutschen Versuchen, die eigenen Bürger ausschnüffeln, habe ich in der Vergangenheit genug geschrieben.
IM Friedrich hat zudem schon einmal weit ausgeholt: „Jeder, der wirklich Verantwortung für die Sicherheit für die Bürger in Deutschland und Europa hat, weiß, dass es die US-Geheimdienste sind, die uns immer wieder wichtige und richtige Hinweise gegeben haben“ Man mag kaum glauben, dass Frau Merkel zu denen gehören soll, die keine wirkliche Verantwortung für die Sicherheit der Bürger in Deutschland haben.
Und dann wären da noch die Äußerungen des US-Präsidenten. Der sagte zuletzt: „Wenn ich wissen will, was Kanzlerin Merkel denkt, dann rufe ich Kanzlerin Merkel an (…) letztlich arbeiten wir so eng zusammen, dass es fast keine Informationen gibt, die wir nicht zwischen unseren Ländern teilen.“ Ja, wenn die beiden so dicke miteinander sind, dann fragt man sich doch, wie Frau Merkel so ahnungslos sein konnte.
Nicht zuletzt ist das verhaltene Verhalten der Bundesregierung ein Hinweis darauf, dass man zunächst eine Sprachregelung finden muss, um die Wähler im Dämmerzustand zu halten. Kann ja nicht sein, dass deswegen doch noch die Wahl verloren geht.
Wie auch immer: Die Falle ist gestellt – Fehlt nur noch der Nachweis, dass Frau Merkel eben doch mehr wusste, als sie derzeit durch Herrn Seibert zugeben lässt. Im übrigen kann auch ein zynische Behauptung durchaus einmal die Wahrheit sein – auch wenn sie von Herrn Gabriel stammt.
Es grüßt herzlich
Ihr JL7