Werte Leserinnen und Leser,
nachdem in Syrien nun zum zweiten Mal Giftgas eingesetzt worden sein soll, sehen die USA und die Briten eine rote Linie überschritten. Ein militärischer Vergeltungsschlag muss her und die Welt hinter den USA scharen, um das mit den Snowden-NSA Dokumenten verloren gegangene Vertrauen in die Überlegenheit der westlichen Demokratien wiederherzustellen. Assad heißt der ausgemachte Bösewicht, und man wird auch ohne UNO-Mandat losschlagen. Die Franzosen sind auch dabei, auf dass die French Fries in der Kantine des US-Verteidigungsministeriums diesmal ihren Namen behalten dürfen.
Was das völkerrechtlich bedeutet, ist schnell gesagt. Eine solche Intervention ist ein Angriffskrieg und damit verboten. Denn die NATO wird aus einem syrischen Bürgerkrieg kaum einen Verteidigungsfall konstruieren können – da müssten schon Giftgasbomben auf die benachbarte Türkei fallen.
Die Situation in Syrien ist zudem längst nicht mehr überschaubar. Was als Demonstration eines Freiheitswillens gegen Assad begann, hat sich längst zu einem Religionskrieg zwischen Sunniten und Schiiten ausgewachsen. Auf beiden Seiten finden wir religiöse Irre, die für einen Gottesstaat nach ihrem Gutdünken kämpfen und und säkulare Kämpfer, die eine Wiederherstellung einer wie auch immer gearteten Ordnung wollen.
Für mich stellt sich aber die Frage, auf wessen Seite diese „Koalition de Willigen“ denn kämpfen sollte. Wenn man Leben retten wollte, müssten die USA und ihre Verbündeten derzeit Assad unterstützen; wie es aussieht, hat er im Bürgerkrieg gerade die besseren Chancen. Andererseits steht er mit Hisbollah, Iran und Russland im Bunde. Die ersten beiden eint mit Assad der schiitische Glaube, und die Russen machen sowieso immer das Gegenteil von dem, was die USA machen.
Die Gegenseite mag am Anfang aus Regimegegnern bestanden haben. Inzwischen ist sie eine fragile Koalition aus Freiheitskämpfern, sunnitischen Al-Quaida-Fanatikern und Verrückten mit Parikularinteressen, denen es um lokale Macht als Warlord geht. Eine Unterstützung einer der beiden Seiten – gleich welcher – wäre fatal und erzeugt vor allem eins: noch mehr Terroristen.
Es wäre besser, Assad vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu bringen. Dort gehört er hin zusammen mit seinen Befehlshabern. Dort kann man klären, wer Giftgas geworfen hat und warum. Es wäre der lange, rechtsstaatliche Weg. Es wäre der richtige Weg.
So ein Militärschlag macht natürlich mehr her. Und er lenkt von der lästigen NSA-Diskussion ab. Die Tausende Unschuldigen, die durch einen Militärschlag ums Leben kommen, sind doch bloß Syrer.
Es grüßt herzlich
Ihr JeanLuc7
P.S.: Auch die Arabische Liga unterstützt jetzt den Kampf gegen Assad. Man möge sich bitte davon nicht blenden lassen: Die Arabische Liga besteht hauptsächlich aus sunnitischen Mitgliedern.