Der Bundesverband Informationswirtschaft (BITKOM) und das Verbraucherschutzministerium (BMELV) haben für den 9. Februar zu ihrer dritten gemeinsamen Jahreskonferenz eingeladen. Schwerpunkt der Veranstaltung ist das Thema „Wer trägt die Verantwortung für Sicherheit und Datenschutz im Netz?!“ (Frage- und Ausrufezeichen sind Teil des Namens). Weiterhin heißt es im Anschreiben: „Anlässlich des „Safer Internet Day der Europäischen Union“ beleuchten hochrangige Redner, wie sich Verbraucher im Internet sicher und vertrauensvoll bewegen und dabei auf die Verantwortung von Unternehmen und Staat bauen können, ohne selbst ihre eigene Verantwortung aus den Augen zu verlieren.“
Frau Aigner schreibt dazu in der Einladung: „Zahlreiche Datenskandale haben das Vertrauen in die Sicherheit des Internets erschüttert. Wer trägt welche Verantwortung für Sicherheit und Datenschutz im Netz? Wie sorgen Unternehmen für die Sicherheit von Daten? Welchen Beitrag leistet die Politik zu mehr Sicherheit und Datenschutz im Netz? Was müssen Verbraucher und Nutzer – vor allem die immer Jüngeren – auf ihren Wegen durch die digitale Welt wissen?“
Datenskandale erschüttern also das Vertrauen in die Sicherheit des Internet? Sollten sie nicht vielmehr unser Vertrauen in die uns überwachenden Firmen und den uns ebenso überwachenden Staat erschüttern? Telekom und Bahn – beide 2009 verwickelt in schwerwiegende Datenskandale – sind nach wie vor zu großen Teilen in Staatshand. Mit dem Vorratsdatenspeicherungsgesetz, dem BKA-Gesetz und dem Zugangserschwernisgesetz hat die letzte Große Koalition bis 2009 mein Vertrauen nicht erworben. Und ist es nicht so, dass die Jüngeren über das Internet deutlich mehr wissen als die älteren, besonders jene mit dem Berufsbild „Politiker“?
Frau Aigner, die uns die einfache Kennzeichnung von Inhalten auf Lebensmitteln durch eine Ampel verwehrt hat, doziert weiter: “Vertrauen und Sicherheit im Netz zu schaffen, ist das gemeinsame Anliegen von Verbraucherpolitik und Wirtschaft, denn das Nutzen von Daten ist die Voraussetzung für innovative Angebote, die allen Seiten gleichermaßen zugute kommen.“ Wir erinnern uns: Die Nutzung von Daten wurde im vergangenen Jahr neu geregelt. Dabei sind den Adresshändlern alle datenschutzrechtlich relevanten Teile wie das Listenprivileg erhalten geblieben. Wo ist hier nun Vertrauen und Sicherheit zu schaffen? Indem man das Gesetz vom vergangenen Jahr wieder so umbaut, wie es vor dem Eingriff der Adresshandel-Lobbyisten geplant war?
Richtig spannend wird es aber, wenn am Nachmittag der Konferenz die Podiumsdiskussion beginnt. Dort sind die folgenden Damen und Herren Teilnehmer:
- Julia Klöckner, Parlamentarische Staatssekretärin im BMLEV
- Dr. Max Stadler, Parlamentarischer Staatssekretär im BMJ
- Michael Hange, Präsident des BSI
- Thomas Aidan Curran, CTO Products & Innovation Deutsche Telekom AG
- Stephanie Freifrau zu Guttenberg, Präsidentin „Innocence in Danger„
Neben drei Staatsvertretern, von denen zumindest zwei bisher nicht als energische Vertreter eines freien Internets in Erscheinung getreten sind, finden wir mit der Telekom eines der fünf Unternehmen, die frühzeitig mit dem BKA einen Vertrag über Internetsperren unterzeichnet haben. Dazu kommt die Ehefrau des amtierenden Verteidigungsministers und Chefin von Innocence in Danger, einer Organisation, die sich im Rahmen der Diskussion um Internetsperren besonders durch die Präsentation unbelegter Zahlen zu Missbrauchsfällen hervorgetan hat.
Fehlt da nicht jemand? Beispielsweise Alvar Freude vom AK Zensur, oder Markus Beckedahl von netzpolitik.org, meinetwegen auch Björn Böhning (SPD), der sich in den letzten Monaten wohltuend durch Fachwissen von seinen Fraktionskollegen abgesetzt hat. Ich ahne schon, wie diese Diskussion verlaufen wird – klassisch in vier Akten:
- Akt 1: Das Böse Netz
- Akt 2: Der Rechtsfreie Raum
- Akt 3: Die Unschuldigen Kinder, alternativ auch: Google ist so böse
- Akt 4: Mehr Staat statt Anarchie und Freiheit
Und am Ende gehen die Parlamentarischen Staatssekretäre nach Hause und fühlen sich wieder einmal bestärkt im Kampf gegen das freie Internet. Ich wünsche viel Spaß.
Herzlichst
Ihr JeanLuc7