Werte Leserinnen uns Leser,
in den vergangenen Wochen hat eine Personalie der Mozilla Foundation erheblichen Ärger bereitet. Mozilla – das sind die Guten mit dem kostenlosen und sicheren Browser, die in den Neunzigern beinahe den Browserkrieg Netscape vs. Internet Explorer gegen Microsoft verloren hätten.
Mozilla ist wie die meisten Internet-Firmen in den USA in Kalifornien ansässig. Dort herrscht ein für Schwule relativ mildes Klima. San Francisco hat ein eigenes schwules Wohnviertel und wird zu erheblichen Teilen von den Schwulen finanziert. Los Angeles (mit dem angeschlossenen Hollywood) bietet ähnliche Annehmlichkeiten und ein ebenfalls freundliches Klima.
Auf dem Land – Kalifornien ist in großen Teile ein Weinbaugebiet – sind die Meinungen allerdings ähnlich verstockt wie hierzulande, und deswegen fand im Jahre 2008 – parallel zur ersten Wahl Obamas zum Präsidenten der USA – ein Gesetzesvorschlag namens „Proposition 8“ eine Mehrheit. Diese Proposition 8 verbot die Heirat von Schwulen in Kalifornien und trübte seinerzeit die Erleichterung darüber, dass die Republikaner die USA nicht länger regieren durften. Inzwischen gehört das Thema der Vergangenheit an – Gerichte erklärten die Proposition 8 für unzulässig, und Schwule dürfen in Kalifornien inzwischen legal heiraten.
Nun kommen wir zum Aufstieg und Fall des Brendan Eich, Mitgründer von Mozilla und jahrelanger Chefentwickler. Dieser wurde vor wenigen Wochen zum Vorstandchef von Mozilla berufen. Was in seiner Position als leitender Mitarbeiter noch tolerabel gewesen sein mochte, wurde nun zum Diskussionsgegegenstand: Eich hatte 2008 die Befürworter von Proposition 8 mit einer Spende von 1000 Dollar unterstützt und dies auch begründet.
Viele Nutzer fanden das nicht lustig. Es gab wütende Reaktionen, sogar zum Umstieg auf google Chrome wurde aufgefordert. Mozilla stand zunächst dem Vorstandsvorsitzenden bei, womöglich dachte man, dass eine Aufregung über eine sechs Jahre alte Spende sich rasch wieder legen würde. Eich versprach, das Unternehmen offen und freiheitlich zu führen und bekannte sich auch zur Toleranz. Nur entschuldigen wollte er sich nicht.
Nun hat der Mozilla-Aufsichtsrat die Notbremse gezogen und Eich vom Posten des Vorstandsvorsitzenden entfernt. Die Mozilla-Aufsichtsratsvorsitzende Mitchell Baker entschuldigte sich im Namen des Unternehmens und erklärte, man habe uns nicht verhalten, wie man das von Mozilla erwartet. „Wir haben nicht schnell genug gehandelt und uns mit den Leuten auseinandergesetzt, als die Kontroverse begonnen hat. Wir bedauern das. Wir müssen das besser machen.“
Gut so. Einmal mehr zeigt sich, dass gelebte Homophobie in freiheitlich denkenden Unternehmen nicht mehr erwünscht ist und zu vergleichbaren Folgen führt wie Diskriminierung von Frauen oder Migranten. Niemand sollte sich sicher sein, dass Intoleranz gegenüber Schwulen nicht auch berufliche Spätfolgen haben kann. Die schmierigen Witzchen in der Chefrunde sind inzwischen nicht mehr lustig, sondern können karrieregefährdend sein.
Damit ist der Kampf nicht gewonnen. Homophobie ist andernorts auf dem Vormarsch: Russland, einige afrikanische Staaten, Saudi-Arabien, Iran und auch einige osteuropäische Staaten stehen nach wie vor auf der Liste von Ländern, die Schwule als Minderwertige oder sogar Verbrecher behandeln. Sie rechtfertigen dies häufig mit dem Mehrheitswillen der Bevölkerung. Bis sie sich zum Besseren bekehren, wird Mozilla auf diese Nutzer gerne verzichten können.
Es grüßt herzlich
JeanLuc7