Zurückgeschossen

Werte Leserinnen und Leser

Wir haben uns an die regelmäßigen Meldungen aus der Türkei gewöhnt: Die Regierung Erdogan hat dem Rechtsstaat den Krieg erklärt, tritt die Meinungsfreiheit mit Füßen und glaubt, eine Mehrheit an der Wahlurne rechtfertige Unterdrückungsmaßnahmen für all jene, die nicht AKP gewählt haben und es wagen, dies zuzugeben. Damit sollte sich eine Diskussion um eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU bis auf weiteres erledigt haben.

Die Türkei ist aber seit langem und immer noch Mitglied der NATO, jenes aus dem Kalten Krieg verbliebenen Verteidigungsbündnisses westlicher Staaten. Und als solcher steht ihr in einem Bündnisfall – das ist gewöhnlich ein Angriff anderer Staaten – die Macht der NATO beiseite.

Daher lohnt es sich, einen Vorfall zu beleuchten, der in der Masse der erschreckenden Meldungen der letzten Tage beinahe untergegangen ist. Auf Youtube wurde nämlich ein Mitschnitt eines Gesprächs veröffentlich, bei dem der türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu, Geheimdienstchef Hakan Fidan und zwei weitere ranghohe Funktionäre zu hören sind.

Die vier unterhalten sich dabei über eine bewaffnete Provokation im Nachbarland Syrien, um einen türkischen Militärschlag zu rechtfertigen. Agenten sollten von Syrien aus „acht Raketen“ auf türkisches Brachland abfeuern. Der Mitschnitt ist offenbar keine Fälschung, denn der Minister bestreitet nicht, dass bei dem Treffen am 13. März in seinem Dienstzimmer in Ankara über militärische Optionen in Syrien geredet wurde. Erdogan hat stattdessen konsequenterweise  die Sperrung von Youtube in der Türkei verfügt.

Nun kommt die NATO ins Spiel. Ein angegriffener Bündnispartner, selbst wenn er ein so irres Verhältnis zu Rechtsstaat und Demokratie hat wie die durch Erdogan und seine AKP vertretene Türkei, kann den sogenannten Bündnisfall ausrufen. Ich zitiere hier einmal das Deutschlandradio:

Wird bei der NATO der Bündnisfall nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrages ausgerufen, so verpflichten sich die derzeit 28 Mitgliedsstaaten der NATO, ein von außen attackiertes Mitglied gemeinsam zu verteidigen. Das kann durch Androhung und Anwendung von Waffengewalt gegen den Staat geschehen, der das Mitglied bedroht.

Kurz gesagt: Die verrückten Kriegsspiele des türkischen Außenministers und seiner Kollegen könnten uns alle in einen Krieg mit Syrien verwickeln.

Erstmals wurde dieser Fall übrigens am 2.10.2001 ausgerufen nach dem Angriff von Al-Quaida auf die Twin Towers in den USA. Damals entsandten viele Nationen – erstmals auch Deutschland –  im Rahmen einer „Koalition der Willigen“ Truppen nach Afghanistan, um nach Bin Laden zu suchen, den die Taliban nicht freiwillig ausliefern wollten. Sie sind heute noch dort und haben nichts gewonnen.

Man fragt sich, ob die Regierenden in der Türkei noch alle Sinne beisammen haben. Wir wissen mit Blick auf die Krim inzwischen, dass Annexionen weitgehend straffrei bleiben, wenn man nur forsch genug vorgeht. Aber die Ungeheuerlichkeit, sich selbst anzugreifen, um dann einen Krieg beginnen zu können… wo habe ich denn das zuletzt gehört?

Statt weiter über Beitrittsgespräche zur EU zu reden, sollte man lieber prüfen, wie man die Türkei aus der NATO entfernt und damit eine potenzielle Zeitbombe entschärft, als die Erdogans Regierung inzwischen zu betrachten ist.

Es grüßt herzlich

JeanLuc7

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