Werte Leserinnen und Leser,
manchmal erwischt es auch die Guten. Im besten Gewissen, alles richtig und gut zu machen und dabei auch noch auf neuste Methoden zum Informationsaustausch zu setzen, hat Kai Biermann von der Online-Redaktion der ZEIT zum Safer Internet Day ein Twitter-Interview mit einem Gesprächspartner geführt, den er bei Insafe, einer von der EU finanzierten Organisation und nach eigenen Angaben „ein von der Europäischen Kommission fundiertes Projekt zur Förderung der Internetsicherheit und zum Beistand der Eltern und LehrerInnen“, verortete.
Der Ansprechpartner mit dem viel sagenden Namen „SID_2010“ scherte sich nicht um bestehende verfassungsmäßige Rechte, sondern hatte eine ganz eigene Sicht auf die Welt. Hier ein Best Of:
Frage: Es wird immer Wege geben, Sperren zu umgehen. Wie wichtig ist Aufklärung der Nutzer, zum Beispiel für Kinder in der Schule?
Antwort: Sperrungen können nicht umgangen werden, wie das Beispiel China zeigt.
Frage: Was halten Sie von der Ankündigung der Regierung, Sperren nicht zu nutzen + herkömmlich zu löschen?
Antwort: Wir können die Diskussionen um Sperrungen in Deutschland nicht nachvollziehen. In skandinavischen Ländern wurden große Fortschritte mit Sperrungen gemacht. Deutschland verhält sich hier technikfeindlich.
Frage: Aber haben die Sperrgegner nicht erwiesen, dass die Technik eben nicht taugt + auch legales sperrt? …und dass das Verfahren auch noch intransparent und dadurch bedenklich ist?
Antwort: Wie wir wissen, waren nur DNS-Sperren geplant. Deep Packet Inspection ist wesentlich wirkungsvoller.
Bereits beim ersten Lesen hatte ich den Eindruck, dass hier etwas nicht stimmen kann. In meinem Kommentar fragte ich:
Ich hoffe, liebe ZEIT-Redakteure, Ihr habt Euch da einen dummen Scherz erlaubt?
Kai Biermann antwortete sofort:
Einen Scherz? Nein, warum. Ich finde, die Fragen sagen alles. Und die Antworten auch – sie zeigen die offizielle Sicht dieses europäischen Programms zum Schutz der Jugendlichen. Ist es nicht interessant, diese zu erfahren? Ich finde schon. Sie wollen mit diesen Methoden arbeiten.
Allerdings hatte man in der ZEIT-Online-Redaktion versäumt, die wahre Identität von SID_2010 zu ermitteln. Bei Insafe ist jedenfalls kein Account dieses Namens in Gebrauch, und es ließ sich offenbar auch niemand finden, der mit den getroffenen Aussagen in Verbindung gebracht werden wollte. Die Redaktion der ZEIT Online hat den Zwischenfall inzwischen bedauert.
Allerdings muss man feststellen, dass seitens SID_2010 viel Mühe verwendet wurde, um dem ganzen einen scheinbar makellosen Anstrich zu geben. Manche vermuten deshalb einen PR-Gag oder zuviel nicht abgesprochenen Aktionismus. Die Domain trug den Slogan des Konzepts und wurde am 25.01. angemietet. Dort fand man Verlinkungen auf viele Papiere und Aktionen der Initiative. Hoffen wir, dass nur ein Troll sein Unwesen trieb und nicht in anonymer Form erste Nebelkerzen geworfen werden sollten.
Herzlichst,
Ihr JeanLuc7