Im Zweifel links

Werte Leserinnen und Leser,

die aktuelle Plakatierung zur Europawahl strotzt nicht gerade vor intelligenten Einfällen. Die SPD kopiert die Linke, indem sie „STATT“-Plakate aufhängt, die Linke wiederum nutzt die Reste aus dem Bundestagswahlkampf 2009, die sie schon 2013 wiederverwendet hat. Die Grünen sind irgendwie … grün und nett, und die FDP hat außer dem Namen Lambsdorff nicht mehr viel zu bieten, nachdem ihre beiden Skandal-Spitzen-Parlamentarier Koch und Chatzimarkakis abseriviert wurden. Die NPD hat wieder am höchsten geklebt, die AfD nutzt dieselben Farben wie die SPD, und die CDU zeigt wieder die Tante, die jedesmal gewinnt.

Zu wenig Informationen für eine Entscheidung.

Daher habe ich mich mit dem Wahlomaten beschäftigt. Da werden 38 Fragen gestellt, die vorher auch die Parteien zu beantworten hatten. Man kann auf einer Skala von „hoher Zustimmung“ bis zu „hoher Ablehnung“ stimmen; das ganze wird dann mit den Parteienantworten abgeglichen, und am Ende erhält man eine Wahlempfehlung.

Diesmal scheint es für die Parteien jedoch ähnlich schwer wie beim Wer-wird-Millionär-Publikumsjoker zu sein. Denn wer den bei den letzten, schweren Fragen einsetzt, wird das richtige Ergebnis nicht herausbekommen, weil das Publikum auch nur raten kann. Und so kam aus dem Wahlomat ein für mich überraschendes Ergebnis heraus.

Das wichtigste zuerst: Die grundsätzliche Trendrichtung stimmt, ich bin immer noch links von der Mitte verortet – sofern meine empfohlenen Parteien da ebenfalls stehen. Aber dann – bitte sehen Sie selbst:

Bildschirmfoto 2014-04-28 um 15.45.35

Bis einschließlich zur SPD ist alles links, soweit, so gut. Aber dann: 57,3% Übereinstimmung mit der AfD? Die Partei der weißen, alten, homophoben Männer? Auf demselben Platz auch die CDU, die Partei der weißen, alten, homophoben Abhörfanatiker… Dahinter knapp die FDP mit 56,1%, die Partei der reichen, weißen alten Ärzte und Apotheker… Und nur ganz knapp dahinter auch noch die haselnussbraune NPD mit den fiesen Parolen, immer noch mit einer satten absoluten Mehrheit bei der Übereinstimmung.

Ich stimme also in mehr als der Hälfte der Fragen mit den Nazis von Rechtsaußen überein. Offenbar hat der Europawahlkampf zu einer Weichspülung geführt. Alle sind für Freiheit (die einen wollen freie Bürger, die anderen Städte frei von Ausländern), alle wollen Arbeitsplätze schaffen (manche durch Freihandelsabkommen, manche durch das Ausweisen von Nicht-EU-Bürgern), die Linken wie die Rechten wollen Volksabstimmungen – eine der wenigen Fragen übrigens, bei der ich weder mit Links noch mit Rechts übereinstimme.

In der ZEIT habe ich die Forderung gelesen,  die Politiker mögen den Wählern endlich sagen, die Wahlbeteiligung sei alles, der Sieger nichts. Und es scheint nun angesichts von nur 15% Unterschied zwischen meinen bevorzugten und meinen abgelehnten Parteien wirklich egal zu sein, was ich wähle.

Welch ein Unsinn. Da bleibe ich doch lieber bei meiner eigenen Präferenzentscheidung.

Es grüßt herzlich

Ihr JeanLuc7

 

 

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