Kein Finger gegen Putin

Werte Leserinnen und Leser,

derzeit teilen die Medien die Menschen gerne in Putin-Versteher und Putin-Kritiker ein. Ich gebe zu, ich bin ein Putin-Nicht-Versteher. Aber ich bin auch ein Ukraine-Nicht-Versteher, so wie ich ein Ägyptische-Revolution-Nicht-Versteher bin. Und wenn Erika Steinbach via Twitter Putin mit dem Antichristen-Duo Hitler und Stalin vergleicht, halte ich das für ganz besonders unangebracht.

Zur Ukraine: Wieder einmal hat ein Volk einen diktatorischen inkompetenten Politiker außer Landes gejagt – soweit, so gut. Und wieder einmal hat man sich danach den Sieg wegnehmen lassen – durch Subjekte, die nur ihre eigenen Interessen im Sinn haben, nicht aber das Wohl des Volkes. Vielleicht ist das auch zu viel verlangt – Merkel hat bei ihrem Umgang mit der NSA-Affäre auch nicht unser Wohl im Sinn, sondern nur ihr eigenes.

Dennoch ist die Situation sehr einfach zu beschreiben. Europa steht nicht am Rande eines dritten Weltkriegs, die Ukraine wird geteilt, und Putin bekommt die Krim (und wohl noch etwas mehr). Die Europäer werden – trotz allen Säbelrasselns – Putin bei der Landnahme gewähren lassen, so, wie sie die Amerikaner beim Abhören gewähren lassen – wegen der guten Beziehungen.

Man muss es einmal klar aussprechen: Kein Europäer wird wegen der Ukraine auch nur einen Finger krümmen – die militärische Option ist keine, und sie wird es auch nicht werden. Anders als Chamberlain 1939 sehen sich die europäischen Führer heute keinem Verrückten gegenüber, der den Krieg nach außen unbedingt will, weil er ihn im eigenen Land schon unerbittlich führt. Und Putin wird nur dort zugreifen, wo er sicher sein kann, dass es niemanden aufregt. Letten, Litauer, Estländer, Finnen und Polen: regt Euch ab, Ihr gehört zum Club und seid deshalb unantastbar. Und ob die Welt nun wirklich schlechter dran wäre, wenn die Begriffe „Abchasien, Bergkarabach, Südossetien und Transnistrien“ von der Landkarte verschwinden würden, darf bezweifelt werden.

Wenn aber militärisch nichts zu holen ist, dann wird es mit dem Druck schwer. Russland ist Gaslieferant und hat sonst keinen nennenswerten industriellen Einfluss auf der Welt. Im Gegensatz zum Iran ist es aber ohne die Welt lebensfähig. Putin kann auch ohne uns, wenn er will.  Also werden Sanktionen nur dann etwas bringen, wenn sie auch uns weh tun – womit wir wieder beim ersten Satz des vorigen Absatzes wären, denn die Europäer interessiert dieser Konflikt nicht wirklich.

Was also bleibt zu tun? Nichts, denn wir haben Putin nichts entgegenzusetzen, wenn wir unsere eigenen Standards nicht (ein weiteres Mal) verletzen wollen. Lieber sollten wir uns endlich darüber klar werden, dass auch die Amerikaner nicht mehr die Freunde sind, als die wir sie früher gesehen haben. Und solange Erika Steinbach nicht demnächst das Sudetenland zurückfordert und eine Abstimmung organisiert, ist noch alles im Lot.

Es grüßt herlich

JL7

 

 

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Politik abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.