Werte Leserinnen und Leser,
Der BND lauscht in der Türkei und hat dabei zwei Telefonate der amtierenden amerikanischen Außenminister mitgeschnitten. Die Bundesregierung ist blamiert, und Frau Merkel kann sich nicht länger über die Aktivitäten der Amerikaner echauffieren. Die Amerikaner nutzen die Gelegenheit und beschweren sich nicht einmal, denn erfahrene Geheimdienstler wissen natürlich, dass jeder jeden belauscht und so etwas eben passiert. Am besten, man hält die Klappe.
Es sei dahingestellt, ob die Welt ohne Geheimdienste eine bessere wäre. Fakt ist, dass jeder lauscht – dort, wo er es für nötig hält. Die Deutschen halten die Türken für unzuverlässig und belauschen sie, die Amerikaner halten die Deutschen für unzuverlässig und belauschen sie, die Russen halten alle für verdächtig und umgekehrt halten inzwischen auch alle die Russen für verdächtig. Ähnliches gilt für die Chinesen, die sich allerdings auf Wirtschaftsspionage spezialisiert haben.
Die aktuelle Diskussion klammert aber das Belauschen der kompletten Bevölkerung aus, die politisch doch eher unverdächtig ist. Auch das tun alle – die Russen und Chinesen ganz ungeniert und begleitet von Zensur und Repression, die Engländer und USA halb-öffentlich durch PRISM und TEMPORA und Kameras und das fragwürdige Recht, jederzeit alle Daten aller Menschen auch außerhalb des Königreichs einfordern zu dürfen. Und der BND und die 17 Verfassungsschutzämter ganz heimlich im Ausland und in Deutschland. Keine Regierung wird freiwillig ihre Geheimdienste beschneiden.
Beschränken wir uns daher auf den grauen Raum zwischen den Geheimdiensten und unseren Sicherheitsbehörden – die Polizeien des Bundes und der Länder haben nämlich auch längst die Möglichkeiten des Belauschens entdeckt. Kai Biermann von ZEIT Online hat in einem bemerkenswert deutlichen Artikel die Lobbyarbeit der sogenannten Polizeigerwerkschaften dargestellt. Dort scheint man entschlossen, alle nur denkbaren Maßnahmen einzusetzen, um auch den letzten vermeintlichen Straftäter Deutschlands ausbruchssicher hinter Gitter oder in die Psychiatrie zu bringen.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) hat gut gelernt, wie man der Bevölkerung Angst einjagt, um die eigenen Ziele durchzusetzen. So fordert man derzeit die vollständige Überwachung der Autobahnen durch die Mautbrückenkameras. Der Vorsitzende des BDK André Schulz teilt uns in einer Pressemitteilung mit
„Datenschutz und Opferschutz stehen hier in einem krassen Missverhältnis. Die bestehende gesetzliche Regelung muss umgehend dahingehend geändert werden, dass die Nutzung von Mautdaten zur polizeilichen Gefahrenabwehr und zur Strafverfolgung ermöglicht wird!“
Denn er weiß auch:
„Opferschutz muss vor Datenschutz gehen und hat mit „Ausspähen“ nichts zu tun!“
Gern benutzen die Freunde unserer Sicherheitsbehörden auch die Kinderkarte. „Aber die Kinder!“ hört man dann, um Internetüberwachung, Zensur und Websperren und voreilige Hausdurchsuchungen zu rechtfertigen. Derselbe Schulz hat daher auch ein bemerkenswert eindimensionales Verständnis von bürgerlichen Grundrechten und erklärt uns die dringende Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung anhand einer Grundrechtsabwägung:
„Die kurzfristige Speicherung dieser Daten stellt für jeden einzelnen von uns einen niederschwelligen Grundrechtseingriff dar. Der Grundrechtseingriff bei Tausenden von misshandelten und vergewaltigten Kindern ist aber enorm. Sie werden dank fehlender Vorratsdatenspeicherung weiterhin missbraucht und bleiben oftmals für immer traumatisiert. Ich weiß nicht, wie unsere Politiker nachts noch ruhig schlafen können“
Bei aller berechtigter Kritik an NSA, GHCQ und BND sollte im Blick bleiben, dass – zumindest in Deutschland – letztlich die Exekutive in Form der Polizei Haftbefehle vollstreckt. Gerade deswegen sind die Äußerungen des Herrn Schulze in seiner Position als BDK-Chef so bedenklich. Statt sich über eine klare Trennung zwischen Geheimdiensten und Polizei zu freuen, wie sie das deutsche Recht vorschreibt, verlangt er:
„Bei der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz sind die größten rechtlichen und föderalen Hürden zu überwinden und Bedingungen neu zu formulieren, die das Nichterkennen einer gewalttätigen extremistischen oder terroristischen Gruppierung nicht mehr zulässt. Diese Gefahr ist bis heute nicht gebannt!“
Nun sollte sogar bei Herrn Schulz angekommen sein, dass das Versagen der deutschen Sicherheitsbehörden bei der Fahndung nach den rechtsextremen NSU-Tätern von den Verfassungsschützern gewollt war – diese Hürden sind unüberwindbar.
Weil aber Herr Schulz seine ganz eigene Sicht auf Deutschland und die Welt hat, verteidigt er gerne einmal einen anderen Grundrechtsterroristen, der ebenfalls bekannt ist für ganz eigene Interpretationen der Realität:
„Jörg Ziercke und das BKA haben sich auch in diesem Fall [Fall „Edathy“, Anm. JL7] einwandfrei verhalten. Daran ändert auch eine verzerrte mediale Darstellung oder Forderungen von politischen Hinterbänklern mit gefährlichem Halbwissen nichts“.
Männer wie Schulz oder Ziercke bereiten mir deutlich mehr Unbehagen als die Dshihad-Rückkehrer, vor denen sie derzeit warnen. Denn nicht die Dschihadisten, sondern diese Leute schießen unsere Grundrechte abbruchreif.
Es grüßt herzlich
Ihr JL7