Censilia und die EU-Internetsperren

Die Meldung ist noch druckfrisch: Die Innenkommissarin der EU und Angehörige der Liberalen Volkspartei in Schweden, Frau Cecilia Malmström möchte heute einen Entwurf für eine EU-Richtlinie vorstellen, in der EU-weit die Sperrung von Internet-Seiten mit kinderpornographischen Inhalten gefordert wird. Die Richtlinie enthält außerdem eine Liste mit 22 Vorgängen, die in Zukunft noch strafwürdiger sein sollen als bisher. Die Sperrlisten sollen in Form eines Vorschlags von CIRCAMP kommen, das bereits für die schwedischen und finnischen Varianten verantwortlich ist.

Hinter CIRCAMP verbirgt sich das COSPOL Internet Related Child Abusive Material Project, und COSPOL steht dabei für „Comprehensive Operational Strategic Planning for the Police“ (sinngemäß: umfassende strategische Operationsplanung der Polizei). CIRCAMP befasst sich mit Taktiken und Regelungen zu Netzsperren und schlägt als Maßnahme den Einsatz des CSAADF-Filter vor. Hinter diesem Akronym wiederum verbirgt sich ein einfacher DNS-Filter, der auch beim Zugangserschwernisgesetz zum Einsatz kommen sollte.

„Nicht schon wieder“, mag da der eine oder andere sagen. Und richtig, die Argumente gegen Websperren haben sich seit dem letzten Jahr und dem Kampf gegen Zensursula nicht geändert. Auch die Argumente der Befürworter sind dieselben. Frau Malmström wagt es sogar, das ehrabschneidende Argument der Gewöhnung an derartige Fotos erneut zu bringen.

Dennoch ist die Situation nicht dieselbe, denn diesmal soll die Durchsetzung im Rahmen einer EU-Richtlinie erfolgen. Solche Richtlinien sind Rechtsakte der Europäischen Union und als solche Teil des sekundären Rechts der Union. Es bleibt den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen, wie sie die Richtlinien umsetzen. Sie haben also bei der Umsetzung der Richtlinie einen gewissen Spielraum. Richtlinien setzen regelmäßig eine Frist, innerhalb derer sie in innerstaatliches Recht umgesetzt werden müssen. Mit der Umsetzung wird der Richtlinieninhalt Teil der nationalen Rechtsordnung und gilt somit für alle, die vom Umsetzungsakt (z. B. ein Gesetz) betroffen sind.

Sollte der Plan der EU-Kommission eine Mehrheit im EU-Parlament finden, dann würde das für Deutschland de facto die Wiedereinsetzung des Zugangserschwernisgesetzes bedeuten. Die gerade gestoppte Kette von Ereignissen würde wieder anlaufen mit dem Ergebnis, dass das Bundesverfassungsgericht vor jede Sperre den Richtervorbehalt setzt, womit das Verfahren dann demokratisch und vor allem rechtsstaatlich abgesichert wäre. Sofern wirklich nur kinderpornographische Seiten gesperrt werden, habe ich keine Einwände, wenn darunter die Verfolgung der Täter nicht leidet und die Seiten außerdem auch vom Netz genommen werden.

Die installierte Infrastrukur zum Sperren von Webseiten taugt aber leider noch zu einem anderen Zweck: der Zensur missliebiger Seiten Andersdenkender. Hier in Deutschland würde dank der hohen juristischn Hürden wohl tatsächlich nur Kinderpornographie auf der Sperrliste landen. Ein Zensurversuch würde keinen Bestand haben.

Aber es bleibt den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen, wie sie eine EU-Richtlinie umsetzen. Sorgen bereitet mir daher, dass viele EU-Staaten heuer deutlich weniger hohe Maßstäbe an die Rechtsstaatlichkeit anlegen. Ein paar Beispiele:

Und das sind nur Staaten im westlichen Teil der EU, die eine lange demokratische Tradition besitzen. Wenn alle EU-Staaten nun einerseits Zensur-Infrastruktur verordnet bekommen und andererseits aber selbst bestimmen dürfen, wie sie diese einsetzen, dann ist das ein Flächenbrand, der kaum noch einzudämmen ist.

Jedoch gibt es auch hier noch Hoffnung. Einerseits greift die EU-Richtlinie in die innenpolitische Gesetzgebung der Mitgliedsländer ein und ist damit nach dem Vertrag von Lissabon zustimmungspflichtig. Zum anderen haben wir gerade durch die griechische Finanzkrise erkannt, wie handlungsfähig die Regierungen der Staaten noch sind – ohne Deutschlands Zustimmung geschieht nichts. Verantwortlich für die Umsetzung der Richtlinie sind der Innenminister de Maiziere und die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger – und damit die ersten Ansprechpartner, die die Richtlinie in ihrer jetzigen Form bereits frühzeitig abwehren können.

Nochmals: DNS-Sperren sind ein unwirksames Mittel, um illegale Inhalte im Internet zu verhindern. Die Gefahr von Kollateralschäden ist groß, die von Missbrauch – auch von staatlicher Seite – sogar noch größer.

Mit allen bereits bekannten Argumenten gegen Internetsperren wird sich auch Frau Mahlström auseinandersetzen müssen. Der Chef der schwedischen Polizei hat bereits früher eingestanden, dass die Internetsperren kaum Wirkung zeigen. Nicht zuletzt entsendt Schweden bereits einen Abgeordneten der Piratenpartei in das EU-Parlament.  Der Herr wird in den nächsten Monaten viel zu tun haben. Ich unterstütze ihn.

Herzlichst,

Ihr JeanLuc7

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