Werte Leserinnen und Leser,
ein Sprichtwort sagt: „Getroffene Hunde bellen“. Und gerade konnten wir ein lautes Kläffen aus dem Kanzleramt vernehmen, das wieder einmal der NSA-Affäre geschuldet war. Die Unmutsäußerungen waren aber weder and die USA/NSA noch an den eigenen BND gerichtet, obwohl dessen Aktivitäten nach den bisherigen Ergebnissen des NSA-Untersuchungsauschusses (der im Regierungsdeutsch übrigens die Abkürzung NSAUA hat) immer fragwürder werden.
Nein – der Empfänger des bösen Briefs von Kanzleramtsminister Altmann war der NSAUA selbst. In diesem Brief (im Wortlaut zu lesen bei netzpolitik.org) wird den Volksvertretern mit Strafanzeige gedroht, wenn weiterhin vom Kanzleramt als „geheim“ eingestuftes Material an die Öffentlichkeit gelangt. Anlass des Briefes waren vier Artikel im Spiegel, der Süddeutschen Zeitung und bei netzpolitik, die sich intensiv mit der Abhörkatastrophe „EIKONAL“ beschäftigten. Hinter diesem Akronym steckt die illegale Übermittlung von Daten seitens des BND an die NSA in den Jahren 2004-2008.
Wie unangenehm den Regierenden EIKONAL sein muss, kann man daran erkennen, wie wortkarg sie darauf reagieren. Es gibt nicht einmal Dementis, und auf direkte Fragen erhält der Bürger keine Antwort. Erschwerend kommt hinzu, dass alle seinerzeit beteiligten Regierungsverantwortlichen nach wie vor wichtige Positionen besetzen.
- Außenminister Steinmeier hat das Programm 2004 als Kanzleramtsminister und Kontrolleur des BND initiiert.
- Nach dem Regierungswechsel 2005 wurde der jetzige Innenminister de Maiziere zum Kanzleramtsminister und damit Nachfolger Steinmeiers. Das Programm lief weiter.
- Ab 2005 war zudem der jetzige Finanzminister Schäuble der Innenminister der Republik. Man mag sich nur mit Gruseln an dessen Vorstellungen einer sauberen Sicherheitspolitik und deren Folgen erinnern: Vorratsdatenspeicherung, BKA-Gesetz und die Zensursula-Idiotie gehen auf seine Kappe.
Man darf zu dem illustren Kreis der BND-Gönner noch Frau Merkel rechnen, die ihre Erinnerungen an ihre Jugend im Stasistaat offenbar völlig verdrängt hat. Der SPD-Chef Gabriel ist hingegen neutral – für ihn zählt alles, was die SPD an der Regierung hält. Dazu gehört derzeit aber nicht die NSA-Affäre, denn die könnte Steinmeier und damit der SPD schaden.
Es bleibt zu hoffen, dass die Ausschussmitglieder und auch die Presse sich nicht von Drohungen aus dem Kanzleramt einschüchtern lassen. Alle Beteiligten mögen sich einmal der Spiegel-Affäre erinnern – damals ließ das Kanzleramt tatsächlich die Polizei aufmarschieren und Spiegel-Redakteure verhaften, weil es das Staatswohl gefährdet sah. Wir kennen das Ergebnis – und heute würde eine juristische Auseinandersetzung wohl für die Presse noch weit besser ausgehen als damals.
Es stünde Frau Merkel gut zu Gesicht, bei der NSA-Affäre nicht nur auf die wohlwollenden Umfragen in der Bevölkerung zu vertrauen. Sie verspielt damit das Vertrauen eben jener Elite, die helfen könnte, die aktuellen und kommenden Probleme auf moderne und vielleicht unkonventionelle Weise zu lösen. Und leider ist keine Opposition in Sicht, die ihr Einhalt gebieten könnte.
Es grüßt herzlich
Ihr JL7