Wie werde ich Kanzler?

Werte Leserinnen und Leser,

es muss den SPD-Chef Sigmar Gabriel derzeit arg umtreiben: Die Umfragequoten sind mies und seine persönliche Einschätzung versinkt gegenüber der seiner Chefin Merkel sogar ins Bodenlose. Dabei meint er, doch alles richtig gemacht zu haben, indem er die Eigenschaften anderer Kanzler kopiert und zusammenfasst: Er ist SPD-Chef wie Willy Brandt, wachstumsorientiert wie Ludwig Erhardt, fast so dick wie Helmut Kohl,  bastamäßig polternd wie Gerhard Schröder und ähnlich teflonbeschichtet wie Angela Merkel. Und ihn kümmert sein Geschwätz von gestern genauso wenig wie seinerzeit Konrad Adenauer.

Warum funktioniert es bloß nicht mit seinem Ansehen? Mag es daran liegen, dass er zwar Vorsitzender einer linksliberalen SPD ist, aber CDU-Politik betreibt? Dass er ganz eigene Vorstellungen hat, wie Deutschland voran kommt, die aber sonst niemand begreift? Dass er vielleicht eine oder zwei Wenden zuviel vollzogen hat, um noch glaubwürdig zu sein?

Reden wir diesmal nur kurz über die SPD und ihr Verhalten in der NSA-Affäre. Gabriel hat hier – zusammen mit seinem Amtskollegen Steinmeier – ein sehr seltsames Verständnis von Staatswohl an den Tag gelegt: Es ist eben nicht staatstragend, die schmutzigen Tricks der Regierung und ihres Geheimdienstes durch Aktenschwärzung zu verbergen. Nur, weil die allermeisten Bundesbürger glauben, nichts zu befürchten zu haben und sich deshalb nicht um NSA, BND und die Verstrickung Steinmeiers kümmern, heißt das nicht, das alles gut wäre. Wie gesagt – das interessiert leider nur eine Minderheit, wenn auch eine wichtige.

Gabriels Auftreten in Sachen Handelsabkommen CETA und TTIP hingegen interessiert eine Mehrheit. Etwa 63% der Bundesbürger fordern Nachverhandlungen bei CETA und TTIP. Schuld daran sind nicht die berühmt-berüchtigten Chlorhühnchen, sondern vor allem die geheim tagenden Schiedsgerichte, die sogar demokratisch beschlossene Gesetze aushebeln können. Vor solchen Gerichten – gebildet hauptsächlich aus großen amerikanischen Anwaltskanzleien – können Industriekonzerne Staaten verklagen, wenn diese ihre Investitionen infrage stellen.

Derzeit wird beispielsweise eine Vattenfall-Forderung in Höhe von 4,7 Milliarden Euro an Deutschland verhandelt, weil 2011 der Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen wurde – mit guten Aussichten für Vattenfall. Ähnliche Klagen könnten beispielsweise von Genmanipulationsfirmen wie Monsanto kommen, wenn deren Genmais nicht in Europa auf den Markt darf. Inzwischen haben sich bereits Anwaltskanzleien auf solche Schiedsgerichtsklagen spezialisiert und suchen die bestehenden Gesetze nach Lücken ab, die eine solche Klage erlauben.

Gabriel will nun zustimmen, weil in Europa niemand gegen Schiedsgerichte sei – außer natürlich dem Volk, aber das wählt ja nur alle 4-5 Jahre einmal. Und auch „die SPD wird sich nicht gegen ganz Europa und gegen alle anderen sozialdemokratischen Regierungen in Europa stellen.“ So sagt und sieht es Gabriel.

Tja, Genosse Sigmar – das wäre sie, die Chance, eine andere Richtung einzuschlagen und die Weichen für die Zukunft zu stellen – eine Zukunft, in der nicht die Reichen immer reicher und die ARmen immer ärmer werden und der Klimaschutz zugunsten eines minimalen Wirtschaftswachstums zurückgestellt wird. Du hast es in der Hand.

Aber vielleicht möchtest Du auch einfach weiter deiner Chefin gefallen, indem Du sie bestmöglich imitierst und ansonsten nicht unangenehm auffällst.

Es grüßt herzlich

Ihr JL7

 

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