EZB! Macht! Reich!

Liebe versammelte Vorstände der Großbanken,

mit Freuden habe ich heute der Eröffnung des neuen Palasts der Europäischen Zentralbank beigewohnt. Eindrucksvoller kann man kaum darstellen, welche Machtposition unser Bankensektor im Gefüge des europäischen Wirtschaftsraums einnimmt. Wir haben die schwierigen Zeiten ab 2008 nicht nur überstanden, nein, wir sind besser, größer und unverzichtbarer als je zuvor.

Ich möchte insbesondere dem Vizekanzler und Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Sigmar Gabriel, für seine klaren Wort zu den Protesten draußen auf den Straßen Frankfurts danken, und ich möchte seine Worte hier bestätigen: ausgerechnet die EZB zum Verantwortlichen zu machen, zeugt  von einem ganz erheblichen Unverständnis darüber, was die EZB derzeit für den Zusammenhalt in Europa leistet. Das ist, da hat Herr Gabriel völlig recht, eine intellektuelle Fehlleistung.

Die EZB hat dieser Tage das größte Gelddruckprogramm der Geschichte Europas gestartet. Bis September 2016 werden wir in jedem Monat den Banken Staatsanleihen im Werte von 60 Milliarden Euro abkaufen. Meine Herren, das sind 1,2 Billionen Euro, die die Bilanzen Ihrer Unternehmen in ungeahntem Ausmaß schönen werden. Dieses Geld gehört allein Ihnen und nicht dem Pöbel auf der Straße. Es wird nicht für einen Kita-Ausbau verschwendet, nicht für Mindestlöhne für Frauen und schon gar nicht für das Überleben des Prekariats. Ganz nebenbei sichern wir Ihnen damit deutlich höhere Millionen-Boni als bisher zu. Kaufen Sie sich davon etwas Nettes, oder machen Sie Ihrer Frau ein schönes Geschenk – es gibt nichs und niemand, das oder den Sie mit Geld nicht kaufen könnten.

Bedenken wir auch unsere Bedeutung für den Finanzplatz „Erde“: Die weltweite Deregulierung der Banken und die darauf folgende Erfindung undurchschaubarer Finanzprodukte in den Neunzigern hat uns für die Welt und ihre Wirtschaft unverzichtbar gemacht. Man bezahlt unsere Verluste, egal was wir tun und welche realwirtschaftlichen Folgen es hat, während wir unsere Gewinne dank Kleinstaaten wie Luxemburg unversteuert behalten dürfen. Wir gelten als too-big-to-fail – und wir tun alles dafür, es auch zu bleiben.

[Draußen fliegen Steine gegen das kugelsichere Glas. Falls keine Blockupy-Gegner in der Nähe sind, bitte unwichtige Angestellte abordnen und entsprechend einkleiden.]

Meine Herren, Sie wissen, wir lassen uns nicht beunruhigen, nicht von den aufständischen Kommunisten oder den Terroristen da draußen und in der Welt, nicht von Klimawandel oder Ressourcenknappheit, nicht von Demokratie oder Diktatur. Denn wir regieren die Welt. Wir steuern das Klima, den Terror, Armut und Reichtum. Wir haben die Verantwortung übernommen, und wir werden sie nie wieder hergeben. Wir sind unbesiegbar.

Lassen Sie uns an diesem Tag feiern – uns, unsere grenzenlose Gier und die Chuzpe, die Bürger Europas unseren Reichtum bezahlen zu lassen. Ich wünsche uns allen weiterhin beste Geschäfte. Möge sich das Geld in unseren Taschen vermehren in alle Ewigkeit. Amen.

(Für Mario Draghi zur Eröffnung des neuen EZB-Palasts in Frankfurt von JL7 geschriebene Rede.

Während der (realen) Eröffnung fand in Frankfurt eine (friedliche) Demonstration mit mehr als 10.000 Teilnehmern gegen die Austeritätspolitik der EU statt. Zuvor hatte es bereits gewalttätige Ausschreitungen gegeben.

 

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