Werte Leserinnen und Leser,
derzeit läuft es nicht rund mit Griechenland. Eine linke Regierung hat die Amtsgeschäfte übernommen, obwohl die Griechen überaus deutlich gewarnt wurden, diese nicht zu wählen. Und jetzt haben sie das Ergebnis: Ministerpräsident Tsipras und sein Finanzminister Varoufakis (wann kannte ich je den Namen eines griechischen Ministers) werden von allen gemieden, als würden sie daheim Stinktiere halten. Verträge sind einzuhalten, schallt es ihnen entgegen – und die Griechen mögen doch bitte den Gürtel noch enger schnallen, dann wird das schon wieder.
Fakt ist, die Vorgängerregierungen haben seit der Einführung des Euro ausgenutzt, für wenig Zinsen an viel Geld zu kommen. Sie haben es verteilt – nun ja, nicht gerade unter der Bevölkerung, aber unter sich und korrupten Beamten. Von denen soll es in Griechenland ja durchaus viele geben, wenn man den Ermittlungen der Troika traut.
Fakt ist auch, dass niemand ans Zurückzahlen dachte, weil alte Schulden ja so bequem mit neuen zu tilgen sind, sieht man einmal von den Kreditzinsen ab. Und wer hätte gedacht, dass diese auf dem Schneeballprinzip beruhende Finanzierung so plötzlich enden würde? Es hätte noch zehn, fünfzehn Jahre so weitergehen können, wenn nicht 2008 die Finanzmärkte kurzfristig zusammengebrochen wären.
Fakt ist aber auch, dass die Bürger Griechenlands von dem vielen Geld kaum etwas gesehen haben – und auch heute nichts sehen von den vielen Milliarden, die da nach Griechenland überwiesen werden. Denn dort lagern sie nur kurz zwischen, um postwendend wieder bei den Banken der Überweiserländern anzukommen – nämlich als Tilgung oder Zinszahlung auf Altkredite. Den Reibach machen dabei die Banken.
Der deutsche Steuerzahler bezahlt mit den überwiesenen Milliarden also weder das abendliche Bier noch die Wohnung des Theódoros Normalgriechen. Sondern er sorgt für die Gewinne der Banken und die Boni der Banker. Und der EU-Kommissar Moscovici entgegnet den Griechen als Antwort auf ihre Politik für den kleinen Mann* , es gehe nicht um humanitäre Philosophie, sondern lediglich um die finanziellen Folgen.
Daher bringt es einfach nichts, von den Griechen zu verlangen, jetzt weiter zu sparen. Deren Wirtschaft ist in den drei Jahren des Troika-Interregnums um 25% geschrumpft, jeder Vierte (und jeder zweite Jugendliche) ist arbeitslos, und ganze Landstriche veröden. Wenn eine griechische Regierung sich angesichts dieser Situation unbotmäßig und undiplomatisch verhält – wer mag es ihr verdenken?
Aber noch traut sich (außer vielleicht der Bilderbuch-Linken Wagenknecht) niemand, den Schritt zu gehen, der die Lage wieder richten könnte: Schuldenerlass für Griechenland, Spanien, Italien, Portugal, Irland – und die Bedingung, nie wieder Kredite aufnehmen zu dürfen. Denn ginge man diesen Schritt, würde man letztlich auch das Finanzwesen in Europa entmachten – undenkbar für Konservative wie unseren Finanzminister Schäuble, dem Bewahrer der schwarzen Null (und Spenden-Verwahrer von 100.000 DM fragwürdiger Herkunft).
Trotzdem führt langfristig kein Weg an dem Schuldenschnitt vorbei. Oder glaubt wirklich jemand das Märchen, unsere Wirtschaft werde in 2050 so gewachsen sein, dass die daraus resultierenden Mehreinkünfte nicht nur die Zinsen, sondern auch die Tilgung unserer (deutschen) Kredite bedienen kann? Und wenn wir es nicht können – wie sollen es dann die Griechen schaffen?
Ihr Großverdiener und Reichen der Welt, das wird weh tun. Aber es trifft dann wenigstens keine Armen. Ich kenne jedenfalls niemanden, der gleichzeitig Hartz4 bezieht und Staatsanleihen aus Griechenland besitzt. Und bis dahin schaut Euch noch ein paarmal Herrn Varoufakis‘ schönes Video an.
Es grüßt herzlich
Ihr JL7
*Die EU verlangt von den Griechen die Zurücknahme von Gesetzen, das einigen zehntausend Menschen ein etwas besseres Leben ermöglichen sollen. Unter anderem wurde entlassenes Reinigungspersonal in öffentlichen Gebäuden wieder eingestellt.