Werte Leserinnen und Leser,
während wir Tag für Tag neue Ungeheuerlichkeiten über den BND und seine (Nicht-)Kontrolleure hören und lesen müssen, arbeitet sich das Politikressort der FAZ in Don-Quijote-Manier einsam daran ab, den Lesern obrigkeitsstaatliches Denken beizubringen.
Meinem persönlicher politischer Südpol Jasper von Altenbockum (JvA) versucht sich in gleich vier Kommentaren an dem Kunststück, die Arbeit des BND als alternativlos und vor allem als wohltätig schönzureden. Es begann harmlos mit einer Belobigung des stets aufklärerischen Verhaltens der Bundesregierung:
Es ist das Verdienst des Untersuchungsausschusses im Bundestag, diese Pflichtverletzung [des BND, Anm. JL7] ans Tageslicht gebracht zu haben. Dass Kanzleramtsminister Peter Altmaier die Abgeordneten darüber informierte, zeigt, wie ernst die Bundesregierung die Angelegenheit nimmt. (faz.net vom 23.04.2015)
Doch schon am Tage darauf hatte JvA erkannt, dass die Geheimdienste und die Regierung seiner Fürsprache bedürfen.
Ohne die Zusammenarbeit [mit der NSA, Erg. JL7] wäre die Sicherheit Deutschlands gefährdet. Da das so ist, haben alle diese Angriffe für die Arbeit des BND untergeordnete Bedeutung. (faz.net vom 24.04.2015)
Der Zweck heiligt also für JvA die Mittel. Und er weiß frühzeitig, was an den kolportierten Berichten stimmt und was nicht. Also schreibt er verharmlosend:
Im Kern der BND-Affäre geht es um zweitausend „Selektoren“ der NSA, die der BND zu spät als nicht rechtmäßig identifizierte. Alles andere ist heiße Berliner Luft. Weder stimmt es, wie zunächst berichtet wurde, dass der BND die NSA „bedient“ habe, noch lässt sich sagen, ob es sich dabei tatsächlich um Wirtschaftsspionage gehandelt habe, wie es immer wieder heißt. Vielleicht ging es auch um Rüstungskontrolle, um Proliferation, um Aufklärung – oder um gar nichts. (faz.net vom 29.04.2015)
JVA relativiert, zweifelt an, was in seinen Augen nicht sein darf und verharmlost, indem er uns die seiner Meinung nach „echten“ Gefahren vor Augen führt. Und er warnt nicht etwa die Verantwortlichen, sondern die Opposition im Bundestag:
Eine Opposition, die glaubwürdig bleiben will, sollte allerdings nicht außer Rand und Band geraten. Diffamierungen („Landesverrat!“) kann die Opposition getrost Pegida überlassen. Sonst rutscht ihr eines Tages noch deren Wort von den „Volksverrätern“ über die Lippen. (faz.net vom 29.04.2015)
JvA ist übrigens Pegida-Gegner, gleichwohl seine Kommentarsprache dem dort üblichen markschreierischen Schema folgt. Und gleich nach dem Maifeiertag relativiert er den BND-Skandal noch weiter, indem er ihn in einen globalgalaktischen Zusammenhang stellt.
Der Wirbel, der jetzt gemacht wird, könnte nicht größer sein. Auf BND, Polizei und Verfassungsschutz muss er wirken wie politischer Wirklichkeitsverlust. Es ist zu hoffen, dass sich die Behörden angesichts der Anschlagspläne, die in Oberursel und anderswo ausgeheckt wurden und werden, über ganz andere Fragen viel mehr den Kopf zerbrechen. Denn die Wirklichkeit besteht aus Russland und China, aus Arabellion, Syrien und dem Irak, aus der schlagartigen Vervielfältigung salafistischer Extremisten. (faz.net vom 02.05.2015)
Oberursel … „und anderswo„. Wissen Sie, wo das liegt? Offenbar möchte JVA die unbestimmte Angst schüren, dass Oberursel nur die entdeckte Spitze des Eisbergs ist. Und da liegt natürlich der Sprung zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) einfach zu nahe, als dass man ihn vermeiden wollte:
Statt die Kriminalitätsbekämpfung endlich dem Stand der Technik anzupassen, wird unterstellt, mit diesem Instrument [der VDS, Anm. JL7] solle das Volk unterjocht werden – mit abenteuerlichen Behauptungen, die mit der Wirklichkeit der Fahnder, der Verbrecher und der Opfer nichts zu tun haben. (faz.net vom 02.05.2015)
Ich ziehe daraus folgenden Schluss: Niemand plant, eine Mauer zu bauen, um das Volk zu unterjochen. Klingt irgendwie vertraut – nur leider nicht vertrauenerweckend.
Ein einzelner Kommentator macht noch keine Stimmung, aber das politische Ressort der FAZ kennt nicht nur JvA, sondern auch noch Volker Zastrow und Reinhard Müller. Der erste von beiden erklärte uns am vergangenen Wochenende den asymmetrischen Krieg zwischen gewaltbereiten Islamisten und unseren Schlapphutkriegern:
Aber auf beiden Seiten planen, entscheiden und handeln Krieger mit nachrichtendienstlichen Methoden und Mitteln. Wir sind Teil davon. Wir brauchen fähige Dienste, präventive Überwachung, Vorratsdatenspeicherung, gesetzliche IT-Sicherheitsanforderungen auch für Behörden und Firmen. Wenn wir diesen Krieg nicht gewinnen, werden wir ihn verlieren. (faz.net vom 03.05.2015)
Man wagt es kaum zu glauben, was die eigenen Augen da ins Hirn projizieren. Präventive Überwachung? Ja, hat der sie noch alle? Haben wir nicht gerade gesehen, was passiert, wenn Geheimdienste alles tun, um uns präventiv überwachen zu können?
Ganz nebenbei wird übrigens elegant das Wort „Krieg“ eingeflochten. Sind Sie im Krieg? Ich nicht. Und ich mag mir auch nicht vorstellen, wie der Zastrowsche gewonnene Krieg aussehen mag…
Kommen wir zu Herrn Müller. Sein Kommentar ist in Erinnerung an Thilo Sarrazin als „Deutschland setzt sich matt“ überschrieben und kommt gleich zur Sache:
Gegen die Feinde im Inneren wird es immer schwerer, die mühsam erkämpften Errungenschaften des freiheitlichen Verfassungsstaates zu verteidigen. Deshalb ist es an jedem einzelnen Bürger, für ihn einzustehen. (faz.net vom 03.05.2015)
Haben Sie Feinde? Diese Frage kenne ich noch aus den Lockfragebögen von Scientology. Herr Müller meint damit jedoch nicht naheliegend den Freunde-abhörenden BND – er hat ein ganz anderes, klares Bild seiner inneren Feinde vor Augen:
Am Ende dieses Horrortrips, der alle Freiheiten und Institutionen negiert, von denen sich auch ihre Zerstörer nähren, stehen dann Straßenschlachten wie kürzlich bei der EZB-Eröffnung in Frankfurt und gerade bei der Weltausstellung in Mailand. Die Demonstranten, bestens ausgerüstet, führen einen Krieg gegen den Staat und seine Diener und alles, was sie heil vorfinden. Sie sind vereint im Ziel, zu zerstören. Darin sind sie dem „Islamischen Staat“ nicht unähnlich. (faz.net vom 04.05.2015)
Aber nicht nur Demonstranten sind Feinde, auch Asylanten und Flüchtlinge:
Gegen das Einsickern von Terroristen hilft vor allem ein Fremdenrecht, das diesen Namen verdient. Das reicht von der Asyl- und Flüchtlingspolitik bis zu Grenzkontrollen und Observationen. (faz.net vom 04.05.2015)
Ob Herr Müller wirklich glaubt, was er da verzapft? Terroristen beantragen Asyl oder kommen als Flüchtlinge, ganz sicher! Und die Flüchtlinge werden erst einmal observiert. Könnte ja sein, dass sie aufgrund ihrer durchlebten Leiden bereits voll auf Al-Qaida-Linie sind oder von Boko Haram ferngesteuert. Ist ja keine große Sache, wir haben bald die VDS, und das Grundgesetz schützt nur deutsche Bürger vor Überwachung (sagt der BND).
Die FAZ wirbt gerne mit dem Slogan „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“. Sie sollte überdenken, ob diese Information bereits im eigenen Politik- und Innenressort angekommen ist.
Es grüßt herzlich
JL7