Werte Leserinnen und Leser,
die aktuellen Ermittlungen des Bundesanwalts Range in der NSA-Affäre gegen netzpolitik.org haben einen Sturm der Entrüstung ausgelöst – gut so. Es kann und darf nicht sein, dass ein Bundesanwalt nicht gegen Spione und das millionenfache Absaugen persönlicher Daten vorgeht, wohl aber gegen die Presse, und dort gegen scheinbar weniger schlagkräftige Redaktionen, die das Zepter der Freiheit hoch halten. Netzpolitik.org organisiert seit vielen Jahren Widerstand gegen die bürger- und freiheitsfeindliche Politik unserer Bundesregierungen seit 2005 (allesamt geführt von Frau Angela Neuland-Merkel), fertigt Abschriften der Sitzungen des NSA-Ausschusses und stellt hin und wieder Dokumente ins Netz, wenn die Geheimdienste versuchen, ihre Überwachungsbefugnisse auszubauen.
Range, der alte Mann, ist mit Netzpolitik offenbar völlig überfordert – aber hier soll es nicht um ihn und sein absurdes Staatsverständnis gehen, sondern um den Verursacher der ganzen Aufregung, den Volljuristen Hans-Georg Maaßen, der seit 2012 den Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ führt.
Maaßen ist der Inbegriff des rechtsstaatlich korrekten Beamten. Was geschrieben steht, ist für ihn Gesetz und muss befolgt werden. Ich schätze, in seiner Welt existierten die 10 Gebote schon, bevor sein Gott die Welt erschuf, und das erklärt auch sein Verständnis von Recht. Nicht das Recht dient den Menschen, sondern die Menschen dem Recht.
Welch verquere Sicht das ist, zeigt sich an der bis jetzt schwersten Fehlentscheidung seiner Karriere: Aufgrund seines Rechtsgutachtens in seiner damaligen Position als Refaratsleiter für Ausländerrecht entschied er, dass dem widerrechtlich verschleppten und in Guantánamo festgehaltenen Murat Kurnaz kein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu gewähren sei. Sein bisheriges unbegrenztes Aufenthaltsrecht in Deutschland sei verfallen, da er mehr als sechs Monate außer Landes gewesen sei (in Guantánamo) und sich nicht bei den zuständigen Behörden gemeldet habe (ach!). Kurnaz blieb für weitere Jahre Guantánamo.
Das Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen stellte bereits 2005 fest, dass Maaßens Entscheidung rechtswidrig war. Der Mann kletterte jedoch weiter auf der Karriereleiter nach oben, und unser „Supergrundrecht-auf-Sicherheit“-Innenminister Friedrich (der später wegen Geheimnisverrat im Rahmen der Edathy-Affäre zurücktreten musste) machte ihn 2012 zum Chef des Verfassungsschutzes.
Dort regt sich Maaßen nun seit drei Jahren täglich auf. Nein, nicht über die unglaublichen Fehler und Tricksereien seiner Behörde bei der (Nicht-)Verfolgung der rechtsextremen Terroristen des NSU. Nein, auch nicht über die vielen „V-Leute“ genannten Spitzel, die er in die NPD eingeschleust zu haben glauben mag. Maßen regt sich über Snowden auf, denn der ist „auch ein Täter“. Maaßen wütet über verratene Geheimnisse, die den Bürgern besser verborgen bleiben sollten, weil sie ansonsten merken könnten, welch einen Moloch-Geheimdienst sie da mit ihren Steuergeldern finanzieren.
2,75 Millionen Euro hat der Verfassungsschutz-Geheimdienst im Etat für 2015 vorgesehen, um eine neue Abteilung zu schaffen – eine, die im Inland eine massenhafte Überwachung des Internet leisten soll bei sozialen Diensten (faceboook, twitter, …), in Foren und auf Webseiten. Begründet wird das alles mit der Jagd auf Extremisten – und die 2,75 Millionen sollten geheim gehalten werden, die Öffentlichkeit sollte davon nicht erfahren. Netzpolitik hat diese Dokumente seinerzeit online gestellt – woher auch immer sie kamen. Damit zogen sie Maaßens besonderen Zorn auf sich. Nein, die Tatsache „Überwachung“ selbst war ihm nicht peinlich. Statt dessen drohte er öffentlich:
Es gibt aber auch Skandale, die als Skandale kaum wahrgenommen werden. Nämlich, dass geheime und geheimste Unterlagen aus dem Bereich der Nachrichtendienste in die Medien gelangen, sobald sie den politisch-parlamentarischen Bereich erreichen. Es ist ein Skandal, wenn z. B. der geheime Wirtschaftsplan des Bundesverfassungsschutzes sowie geheime Zusatzinformationen hierzu von den Medien abgedruckt und von einem Bundestagsabgeordneten kommentiert werden. Und die Weitergabe dieser Dokumente ist nicht nur ein Skandal, es ist eine Straftat, und es zerstört das Vertrauen in die Aufrichtigkeit der immer wieder eingeforderten parlamentarischen Kontrolle der Dienste und beschädigt unsere Arbeit erheblich.
Und er stellte Strafanzeige gegen Unbekannt, aus der dann unser Ober-NASA-Bundesanwalt Range eine Anzeige wegen Landesverrat formulierte – natürlich nicht gegen Maaßen und seine verfassungswidrigen Pläne, uns alle auszuspähen, sondern gegen die Redakteure Beckedahl und Andre Meister von netzpolitik.org.
Nach nunmehr 72 Stunden anhaltender Kritik (und nur gelobt durch ein paar CDU-Law-and-Order-Mitglieder mit ähnlicher Laufbahn wie Maaßen selbst) tritt dieser Mann nun vor das Mikrofon von BILD (die übrigens die von ihm kritisierten Dokumente inzwischen ebenfalls verlinkt haben) und erklärt uns:
„Um die weitere Arbeitsfähigkeit meines Hauses im Kampf gegen Extremismus und Terrorismus sicherzustellen, war es notwendig, gegen die Herausgabe von als vertraulich oder geheim eingestuften Dokumenten des BfV juristisch vorzugehen. Alles Weitere ist nun eine Angelegenheit der Justiz.“
In ganz ähnlicher Weise haben Deutsche im Dritten Reich Juden an die Gestapo verraten. Alles Weitere war dann eine Angelegenheit der Justiz.
Sorry, diese Keule musste hierher. Und mit Verrat an deutschen Bürgern hat Maaßen ja bereits Erfahrung.
Es grüßt herzlich
Ihr JL7
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