Ja, aber…

Werte Leserinnen und Leser,

wir haben in den vergangenen Wochen gesehen, wie sogenannte „besorgte Bürger“ in Sachsen und anderswo das Recht in die eigenen Hände genommen und uns die altbekannte Fratze des Rechtsradikalismus gezeigt haben. Die Politik hat die Ausschreitungen unisono verurteilt und sich klar gegen Nazis und Rechtsextreme positioniert.

„Ja, aber…“, werden Sie jetzt sagen. Seltsam, genau das haben unsere Rechts-neben-uns-ist-niemand-Politiker von der CSU auch gesagt. Denn man müsse die Besorgungen der Bürger ernst nehmen, Deutschland können nicht die Probleme der Welt lösen, das Boot sei bereits voll, und überhaupt, die ganzen Schläfer und Islamisten, die wir uns nun ins Land holen… Asylrecht? Ja, aber doch nicht für alle! Die meisten kommen doch bloß wegen des Geldes. (i.e fünf Euro am Tag, Erg. d. Verf.) Und dann die Frage, die typischerweise am Beginn des zweiten Aktes eines jeden Heldendramas gestellt wird: „Schaffen wir das?“

Frau Merkel hat in bemerkenswert deutlicher Form mit „Ja.“ („Ja -Punkt“) geantwortet und den „Ja, aber…“ Parteifreunden ihren Rang zugewiesen – rechts hinten in der Ecke sollen sie grummeln, aber ansonsten bitte still sein. Nun, still sind sie leider nach wie vor nicht, und die Politikredakteure des Leib- und Magenblatts der CDU, der FAZ, stellen tagtäglich Ja-Aber-Kommentare ins Netz, die den Untergang Deutschlands prophezeien – übrigens feigerweise unkommentierbar durch die Leser. Würde ich zu allen Kommentaren verlinken, würde der gesamte Absatz bunt und die Lesbarkeit sehr leiden.

Wir sollten uns darüber im klaren sein, dass der Zuzug von einer Million oder mehr Flüchtlingen aus einem anderen Kulturkreis kein Pappenstiel ist, den man mit einer einmaligen Kraftanstrengung „schaffen“ kann, so wie in der Heldensage im Schlusskampf gesiegt und alles gut wird. Vielmehr ist die Integration wahrscheinlich eine Generationenaufgabe, so wie sie bereits seit 1945 für die Vertriebenen geleistet wird. Die haben übrigens bis heute den „Bund der Vertriebenen“, der wiederum durchaus fragwürdige Positionen vertritt, sobald es um Deutschlands Ostgrenzen geht. Die CDU-Rechtsaußen Erika Steinbach (auch eine typische Ja-Aber-Sagerin) war für viele Jahre die Präsidentin dieses Bundes. Die Vertriebenen-Integration findet also auch 70 Jahre nach Kriegsende immer noch statt.

Bei allem Ja-Aber bleibt aber selbst der CSU nichts übrig als zu akzeptieren, dass die syrischen Flüchtlinge nun einmal da sind und auch durch wiederholtes Stammtischgerede nicht verschwinden werden. In hoffentlich naher Zukunft werden auch CSU und Sachsen-CDU begreifen müssen, dass sie mit ihrem Ja-Aber nur den Rechtsextremismus in ihren Ländern befeuern, der in Bayern (exklusive München) übrigens weitaus salonfähiger ist als in Sachsen. Mit Markus Söder und Andreas Scheuer leistet sich die CSU gleich zwei Spitzenpolitiker, die die dumpfe Bierzeltrhetorik perfekt beherrschen und sich nur dann staatstragend geben, wenn sie neben Merkel auf der Bühne stehen. Die unheilige Allianz, die die CSU derzeit mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Diktator Orban eingeht, wird uns noch viel Ärger einbringen.

Seien wir ehrlich: es gibt durchaus ein paar berechtigte und politisch unverdächtige  Ja-Abers:

  • Wir werden von unserem Reichtum abgeben müssen, damit die neuen Bürger ein würdevolles Leben führen können (Wer jetzt schon wieder „Ja, aber“ sagt, mag bitte Artikel 1 des Grundgesetzes, Absatz 1 lesen).
  • Wir werden religiöser, auch wenn das in einer Welt des Klimawandels und kriegerischer Konflikte vielleicht gerade nicht der sinnvollste Weg ist – und übrigens nicht nur wegen der zuwandernden Muslime. Die ansonsten politisch unbelastete ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Margot Käßmann forderte  in einer Talkshow kürzlich, bei Angst vor Islamisierung am besten in die Kirche zu gehen. Auch wenn ich persönlich Götterglaube in unserer Welt für nicht hilfreich halte – die Religionsfreiheit steht im Grundgesetz, Artikel 4. Dies als Erinnerung für uns Atheisten.
  • Wir werden uns alle gemeinsam um die Flüchtlinge kümmern müssen. Auch wenn man sich gerne multikulturell gibt: sie müssen allesamt Deutsch lernen und das sehr schnell. Ansonsten haben sie auf dem hiesigen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt kaum Chancen. Hier kommt gewöhnlich ein überflüssiges Ja-Aber aus der linken Ecke – aber niemand gibt seine eigene Kultur auf, nur weil er zusätzlich Deutsch lernt. Also bitte, bleibt cool.
  • Wir werden den Flüchtlingen unsere Wertmaßstäbe nahe bringen müssen – auch das sehr schnell. Unsere Freiheit beruht auch darauf, dass wir anders lautende Meinungen vielleicht nicht annehmen, aber tolerieren: Schwule dürfen bei uns ungestraft leben (und sich beinahe verheiraten). Religiöse dürfen zu anderen Glaubensrichtungen konvertieren. Es gibt von Staats wegen keine heiligen Bücher, aus denen man keine Seiten herausreißen dürfte. Gleichwohl gilt das Bücherverbrennen als Zeichen geistiger Umnachtung. Undsoweiterundsofort.
  • Ähnlich wie nach dem 2. Weltkrieg wird es auch jetzt für die aus Kriegsgebieten kommenden eine Wieder-Eingewöhnung sein, dass der Staat ein Gewaltmonopol hat:  Bürgergewalt gegen Menschen (und Sachen) ist nicht tolerierbar. Wobei gerade dieser Punkt inzwischen auch einem Teil der Menschen in Sachsen noch einmal besorgt werden muss – das wäre eine gute Chance für einen gemeinsamen Gemeinschaftskundeunterricht mit Flüchtlingen und den Schreihälsen aus Freital und Heidenau und sonstwo.

Wir schaffen das? Ja- und wenn Sie mithelfen, geht es schneller. Und wie Deutschland dann in 30 Jahren aussieht, das schauen wir uns in 30 Jahren an. Denn vor 30 Jahren, im September 1985, hätte niemand einen Pfifferling darauf gegeben, dass Heidenau und Freital zum bundesdeutschen Staatsgebiet gehören.

Es grüßt herzlich,

Ihr JL7

 

 

 

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