Busengrapscher

Werte Leserinnen und Leser,

gestern verkündete die Bundesregierung, dass unser Sexualstrafrecht erneut verschärft werde. Nachdem bereits seit 2014 der Besitz von Nacktbildern strafbar ist, sofern sie Kinder, Jugendliche oder Erwachsene zeigen, die sich wie Jugendliche verhalten, waren diesmal die Frauen dran. Die von Männern gern, oft und überall zelebrierte Verhaltensweise, Frauen mal eben an den Busen, den Hintern oder in den Schritt zu fassen, wird zukünftig strafbar sein.

Einige Politiker sind mit den Verschärfungen noch nicht zufrieden, denn laut Frau Ferner (SPD) sei noch über „bandenmäßige sexuelle Belästigung“ zu reden. Und ihre Parteifreundin Reimann will „in jedem Fall den Grapschparagraphen“. Frau Kipping von der Linken beschwert sich, dass ein klar formuliertes „Nein“ immer noch nicht reiche, um Vergewaltiger zu bestrafen.

Mal ganz ehrlich: es ist alles andere als erwünscht und geboten, andere Menschen einfach so anzufassen. Selbst in einer relativ offenen Gesellschaft verbitten wir uns schon Berührungen anderer, sofern sie nicht zur Begrüßung oder zum Abschied erfolgen. Und gänzlich unerwünscht sind sexuell motivierte Berührungen: sowas macht man nicht. Das sollten wir alle in unserer Kinderstube gelernt haben, und wer es nicht weiß, mag bitte nachsitzen.

Falls es aber doch passiert: Bisher setzt es bei solchen Gelegenheiten Ohrfeigen (ausnahmsweise berechtigtes Berühren!), es folgen Abmahnungen oder sogar Kündigungen vom Arbeitnehmer und nicht zuletzt soziale Ächtung – weil man so etwas eben nicht macht.

Jetzt soll es also das Strafrecht richten. Nun ist es allerdings nicht so, dass nicht längst die allermeisten Fälle bereits strafrechtlich erfasst wären. Gerade weil die aktuelle Verschärfung auch mit den Ereignissen von Köln an Silvester begründet werden, sollte man sich vor Augen halten, dass die dortigen Ereignisse samt und sonders bereits strafbewehrt sind. Letztlich scheitert die Verurteilung der Täter daran, sie dingfest zu machen.

Man mag aber auch bitte Ursache und Wirkung nicht verwechseln. Ich kann mein Geld  mitten auf der Straße deponieren, und wenn es dann nach ein paar Stunden weg ist, „Diebstahl“ rufen und nach der Polizei verlangen. Ich kann es aber auch daheim im Safe aufbewahren und so der Polizei erlauben, sich auf wichtigere Arbeiten zu konzentrieren. Zudem würde mir wohl vor einem Gericht eine gewisse Mitschuld eingeräumt, denn ich habe den Dieb ja erst in Versuchung geführt.

Jetzt, werte Leserinnen und Frauenversteher, wird es Zeit für den #Aufschrei. In einem von mir besuchten technisch orientierten Forum findet sich seit vielen Jahren ein Thread mit dem Titel „Girls laufen halbnackt rum – ich werd kirre„. Der Threadersteller schreibt da:

hi männer (und lesben)
ich find das schlimm die neue mode. die mädels laufen draußen teilweise rum wie auf nem set für nen porno-dreh. ich bin seit ein paar wochen single, also da is flaute… was macht ihr das euch nicht die sicherugen durchknallen? :rolleyes:

Damit beschreibt er das Problem recht gut. Man kann nicht einerseits eigene Freiheit und Freizügigkeit einfordern und andererseits erwarten, dass die Umwelt darauf nicht reagiert. Sie merken es: es geht hier ums „Anmachen“ und um „Erregung“. Zwar ist „halbnackt“ im Sinne des Threaderstellers keine „Erregung öffentlichen Ärgernisses“, aber wohl eine ganz persönliche – und es folgen 447 teils nicht zitierfähige Seiten, auf denen sich die meist männlichen Mitglieder im Pro und Contra des „Sicherungsdurchknallens“ ergehen.

Daher: Wer einer viktorianische Geisteshaltung im Sexualstrafrecht das Wort redet, mag sich auch bitte im realen Leben selbst so verhalten. Dann wird aus „halbnackt“ eben „verhüllt“ oder „verschleiert“ – damit verhindert man zielgerichtet jede unerwünschte Grapscherei. Dann wird niemand mehr angefasst, und Sexualität findet wieder unter Eheleuten im dunklen Schlafzimmer statt.

Das wollen Sie nicht? Nun, dann hilft vielleicht doch eher gute Erziehung und die Ohrfeige, falls Mann zu frech wird. Ein „Nein“ allerdings hilft wohl selten, denn „Überreden“ gehört nun einmal zum menschlichen Balzverhalten dazu und wird sich auch durch Strafrecht kaum ausschalten lassen. Alles weitere sollte sich zwischenmenschlich lösen lassen, denn „sexuelle Nötigung“ (und dazu gehört auch das echte Busengrapschen) ist bereits jetzt strafbar.

Das Strafrecht ist zudem ein zweischneidiges Schwert. Denn es bedarf zunächst einer Anzeige durch die Begrapschte, dann einer Ermittlung und schließlich eines Urteils. Einerseits dürfte der Nachweis eines „Nein“ nicht ganz einfach zu erbringen sein. Andererseits könnte ein anfängliches „Nein“ später genutzt werden, um einvernehmlichen Sex nachträglich in eine strafbare Handlung zu verwandeln. Eine Neun-Jahres-Studie aus den USA zeigte 1999, dass 41 % der als Vergewaltigung angezeigten Taten keine waren, sondern Rache gegenüber einem abweisenden Mann, Gefallen und Hineinsteigern in die Opferrolle oder Nicht-tragen-wollen der Konsequenzen eines einvernehmlichen Sexualkontakts. In Deutschland hatten wir den prominenten Fall Kachelmann, aber man findet per google schnell reihenweise weitere Beispiele, hier, hier und ganz krass: hier. Dabei geht es jeweils um falsche Verdächtigungen wegen Vergewaltigung. Ein vermeintlicher Busengrapscher dürfte leichter zu beschuldigen sein.

Busengrapschen ist pfui – aber ein schärferes Strafrecht braucht es deswegen wirklich nicht.

Es grüßt herzlich,

Ihr JL7

 

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