Werte Leserinnen und Leser,
einer von Merkels treusten Beamten, der Verfassungsschutzchef Maaßen, hat gestern in einer Befragung durch den NSA-Untersuchungssauschuss ein paar ganz steile Thesen aufgestellt. Edward Snowden sei mit hoher Plausibilität ein russischer Spion, glaubt er. Die NSA- und NSU-Untersuchungsausschüsse binden derart viele Leute, dass nicht genug für die Terrorismusbekämpfung bleibt. „Niemand sage im Fall eines Terroranschlages, das habe er nicht gehört“, droht er. Die Arbeit des Verfassungsschutzes würde skandalisiert, meint er. Dass die Arbeit des Verfassungsschutzes im Rahmen der NSU-Affäre ein echter Skandal war, kommt ihm jedoch nicht in den Sinn.
Maaßen steckt offenbar bereits so tief in seiner eigenen Wahrnehmung der Welt fest („Alles Terroristen außer mir!“), dass er gar nicht mehr merkt, wie lächerlich er sich macht mit seinen Verschwörungstheorien. Bei aller Liebe – eins haben die NSA und die US-Regierung nie getan: nämlich die Echtheit der Snowden-Dokumente infrage gestellt. Niemals gab es ein Dementi oder eine Erklärung, dass Teile daraus gefälscht sein könnten. Offenbar hat man dort ein klareres Bild der Welt als Maaßen.
Es bleibt die Frage der Befähigung von Maaßen für sein Amt – jener Maaßen, der 2002 ein Gutachten verfasste, das die Wieder-Einreise des illegal nach Guantanamo verschleppten Deutsch-Türken Murat Kurnaz verhinderte mit der Begründung, dass sich Kurnaz länger als sechs Monate nicht in Deutschland aufgehalten und dadurch sein Aufenthaltsrecht verwirkt habe. Dass Kurnaz aufgrund seiner Guantanamo-Haft gar nicht in Deutschland sein konnte, stellte Maaßen damals als unerheblich dar. Auch seine Tricksereien im Falle der Anklage der beiden netzpolitik-Journalisten sind inzwischen aktenkundig. Dieser Mann mit seinem formaljuristischen Kegelblick stellt nach meiner Einschätzung nach wie vor eine erhebliche Gefahr für Demokratie und Meinungsfreiheit dar.
Ich habe wegen des Vorfalls die SPD-Bundestagsabgeordnete meines Wahlkreises, Frau Cansel Kiziltepe, kontaktiert:
Gestern (Do, 09. Juni 2016) tagte wieder einmal der NSA-Untersuchungsausschuß und hatte den Verfassungsschutzchef Maaßen zu Besuch. Dieser fiel durch das Vortragen von unbewiesenenen Behauptungen und ein offensichtliches Unverständnis der Notwendigkeit parlamentarischer Kontrollen auf. Er behauptete u.a., Edward Snowdon sei ein russischer Agent und drohte damit, dass wegen der parlamentarischen Kontrolle eventuell die Terrorabwehr leiden könne („Niemand sage im Falle eines Terroranschlags, das habe er nicht gehört.“).
Maaßen ist bereits mehrfach durch Aktionen aufgefallen, die rechtlich an die Grenzen dessen gehen, was in diesem Staate erlaubt ist (Kurnaz-Guantanamo, netzpolitik-Affäre). Meine Frage nun: welche parlamentarischen Möglichkeiten haben Sie als Teil der Abgeordneten der Regierungsfraktionen, seinen Aktionen Einhalt zu gebieten? Es kann doch nicht sein, dass der Verfassungsschutzchef in einem Untersuchungsausschuss des Bundestages parlamentarische Kontrollen infrage stellt.
Mal schauen, was sie antwortet. (Update: hier die – erstaunlich eindeutige – Antwort) Eigentlich müsste man sich als Abgeordneter doch in seiner Ehre getroffen fühlen, wenn der Verfassungsschutz parlamentarische Kontrolle für überflüssig erklärt und lieber nur noch sich selbst schützen möchte.
Aus gegebenem Anlass verweise ich einmal auf meinen Blog-Eintrag vom 2. August 2015. Maaßen ist nicht erst seit gestern unbelehrbar.
Es grüßt herzlich
Ihr JL7