Werte Leserinnen und Leser,
die Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) ist seit einigen Jahren eröffnet. Wie zu erwarten war, trennt sich die Bevölkerung in zwei Gruppen: die einen finden es klasse, die anderen befürchten, dass aus Deutschland ein Land der Faulenzer würde, wenn man ohne Arbeit Geld bekäme. Und wie üblich, haben beide Unrecht – wenn man es richtig einrichtet.
Zunächst einmal sollten wir uns verdeutlichen, dass ein Grundeinkommen bereits jetzt existiert – in Form von ALGI und ALGII, besser bekannt als Hartz 4. Dieses Geld wird nicht bedingungslos gezahlt – es dient im Rahmen der Sozialversicherung als Grundabsicherung zur Überbrückung der Arbeitslosigkeit. Es ist deshalb an massive Restriktionen gebunden: Meldepflichten, Anrechnung aller Zusatzeinkünfte, Sanktionen bei Nichteinhaltung. Zudem muss zuvor alles Ersparte aufgebraucht werden. Kurz: jemand, der Hartz 4 erhält, kommt aus dem Gefängnis eines Minimaleinkommens nur heraus, wenn er eine einigermaßen gut bezahlte Arbeit annimmt.
Das BGE funktioniert anders: es wird bedingunglos gezahlt, ist also nicht an Restriktionen gebunden. Es wird zudem jedem Bürger gezahlt, unabhängig davon, ob er arbeitet oder nicht. Es wird auch nicht auf bestehendes Einkommen angerechnet – jedenfalls nicht direkt. Damit ist klar, dass hier ein Posten entstehen würde, der die Sozialkassen weit stärker belastet als Hartz 4. Das erklärt die massive Ablehnung des konservativen Flügels des politischen Spektrums. Den Vorwurf des staatlich fianzierten Faulenzens lassen wir einmal außen vor.
Noch einmal zurück zu Hartz 4: ein wesentlicher Kritikpunkt daran ist, dass die daraus resultierenden Zahlungen inklusive aller Zusatzleistungen wie Miete und wiederkehrende Anschaffungen, die gesondert beantragt werden müssen, ähnliche Regionen erreicht wie Mindestlohn-Arbeitsplätze. Minijobber erhalten deshalb zusätzlich Hartz 4-Zuwendungen, um wenigstens das Lebensminimum zu erhalten. Da fragt sich mancher, warum er denn eine solch schlecht bezahlte Arbeit tun sollte.
Dieses Dilemma kann man mit einer Ergänzung unserer Steuergesetzgebung lösen: der negativen Einkommensteuer. Zur Erinnerung: das ist die Steuer, die das Finanzamt vom Lohn abzieht. Sie ist gestaffelt und lässt einen Grundfreibetrag von 8820 € unangetastet – Mindestlohnbezieher zahlen für gewöhnlich keine Einkommensteuer und sind lediglich sozialversicherungspflichtig. Erst Bezieher höherer Einkommen werden beginnend mit 14% bis hin zu 45% des Einkommens steuerpflichtig. Die Steuer eignet sich folglich derzeit nicht, um geringe Einkommen zu entlasten.
Erweitert man das Modell allerdings um eine Einkommensteuer, die nicht bei Null endet, sondern bei Geringverdienern einen Aufschlag bedeutet, zeigt sich andere Kurve. Es wird hier davon ausgegangen, dass jede Arbeit mindestens 6000€ einbringen sollte. Der Wert ist willkürlich gewählt – er entspricht 500€ im Monat und liegt höher als der reine Hartz-4-Satz, ohne allerdings die Zuschläge aus Hartz 4 zu berücksichtigen. Der Betrag liegt auch unterhalb des derzeitigen Mindestlohns.
Das entspricht im übrigen in der Summe bereits dem derzeitigen Vorgehen, bei dem Geringverdienet ihr Gehalt „aufstocken“ können durch Hartz-4-Zuschüsse. Der einzige Unterschied besteht in den fehlenden Sanktionen – das neue Modell zwingt Geringverdiener nicht mehr, sich wie Bittsteller verhalten zu müssen.
Packen wir nun noch ein BGE in Höhe von 6000€ (wiederum willkürlich gewählt) hinzu und schauen, welchen Einfluss es auf die Lohnkurve hat.
Hier wurde zusätzlich eine Berücksichtigung der geringfügigen Einkommen vorgenommen: Jemand ohne Arbeit erhält damit 6000€. Jede Arbeit, so gering sie auch vergütet ist, führt aber zu einem Zuverdienst, so dass sich Arbeit ab dem ersten Cent lohnt. Eine Verrechnung mit gewährten sozialen Leistungen wie bei Hartz 4 findet nicht statt. Die resultierende graue Kurve berücksichtigt auch, dass jeder das BGE erhält – bei höheren Einkommen findet lediglich eine 1:1-Umrechnung zwischen BGE und Einkommensteuer statt, so dass der Nettoverdienst in beiden Fällen gleich bleibt. Die Netto-Kurve entspricht daher ab 8000€ exakt der aus dem aktuellen Steuermodell.
Man beachte, dass das BGE keine zusätzliche Leistung ist, sondern lediglich bereits vorhandene Sozialleistungen ersetzt – es ist im besten Fall also kein zusätzliches Geld erforderlich. Das BGE-Modell kommt aber völlig ohne Restriktionen aus. Wer nicht arbeitet, lebt dabei auf Sparflamme. Aber jede bezahlte Arbeit lohnt sich. Und da man die staatlichen Zulagen nur dann erhält, wenn man die Arbeit anmeldet, entsteht hier auch kein weiterer Schwarzarbeitsmarkt.
Allerdings ist dieses Modell noch nicht vollständig, solange die Sozialabgaben unberücksichtigt bleiben. Diese hängen bisher wesentlich von der Anzahl der Beschäftigten ab – der demografische Wandel und die Automatisierung der Produktion werden hier massive Umbrüche verursachen. Dieses Thema werde ich im dritten Teil dieser kleinen Serie behandeln.
Es grüßt herzlich,
Ihr JL7
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