König Kurt ab 18

Es war einmal ein König, der lebte im Land um Rhein und Pfalz. Er hatte es sich dort warm und gut eingerichtet. Trotz eines erfolglosen Feldzugs in Berlin, den er bald hatte abbrechen müssen, wusste er, dass er der Welt mehr geben konnte als Knabbereien der lokalen Küche. Und so wartete er geduldig auf eine Gelegenheit.

Diese Gelegenheit kam, als der regionale Jugendmedienstaatsvertrag überarbeitet werden musste. Solche Staatsverträge waren für Könige eine gute Chance, sich zu profilieren, da sie zwischen den Königen direkt ausgehandelt werden. Die Parlamente der Länder durften am Ende nur zustimmen oder ablehnen, ohne dass einzelne Vertragsgegenstände nachverhandelt werden konnten.

Der Jugendmedienstaatsvertrag regelte den Zugang von Kindern und Jugendlichen zu Medien wie Büchern, Filmen und Theatervorstellungen. Diesmal ging es jedoch darum, den Jugendmedienstaatsvertrag fit für ein neues Medienkapitel zu machen: das Internet. König Kurt setzte sich also vor ein eigens aufgebautes Internetgerät und stellte schnell fest, dass es  aussah wie ein Fernseher mit eingebauter Lokalzeitung. Filme anschauen, Zeitung lesen und Radio hören – schnell war die passende Schublade in des Königs persönlichem Weltbild-Aktenschrank geöffnet und das Internet dem Lokalfernsehen zugeordnet. Sendezeiten sollten es richten, Anrüchiges gäbe es erst ab 23 Uhr zu sehen, dazu Alterseinschätzungen für alle Inhalte, um die Jugendlichen vor Schaden zu bewahren.

Der König beherrschte kaum fremde Sprachen, und so war es für ihn kein Problem, dass die Kaiserreiche der Welt sich für seinen Vertrag und seine Sendezeiten nicht interessierten. Sie wussten nämlich, was dem König unbekannt war: Die Welt ist eine sich drehende Kugel, und daher stehen irgendwo auf der Welt die großen Zeiger der Uhren auf 23 Uhr, zu jeder Tageszeit. Und so konnten alle fremdsprachigen jugendgefährdenden Informationen überall auf der Welt eingesehen werden – sogar in König Kurts eigenem Land.

Die heimischen Textschreiber und Gestalter aber mussten fortan ihre Texte auf Jugendgefährdung überprüfen und sie entweder erst ab 23 Uhr bis morgens um 6 Uhr im Internet freigeben, oder sie mussten ihre Seiten mit einem „Ab-18“-Sticker kennzeichnen.

Denn König Kurt hatte sich eine sehr clevere Methode ausgedacht, seine Untertanen vom Zugriff auf Gefahren abzuhalten. Die Untertanen mit Kindern im Hause sollten ihre Fernseher (pardon, Computer) mit einer Sicherung ausstatten, die automatisch erkennen würde, wenn Gefahren drohen. Und wie beim Pay-TV bliebe dann der Schirm bis zur Eingabe eines Passworts einfach schwarz.

Leider war bis zum Inkrafttreten des Jugendmedienstaatsvertrag diese Sicherung nur auf dem Papier entworfen und nicht einsatzbereit. Und so blieb im Lande alles, wie es war. Alle Informationen waren frei für jeden zugänglich, und die Eltern kümmerten sich mit strenger Hand selbst um die sittliche Erziehung ihrer Kinder. Und niemand bedauerte König Kurt, weil er der Welt wiederum nichts gegeben hatte.

So läuft es im Märchen. Hoffen wir, dass der Jugendmedienstaatsvertrag in der Realität ebenso wenig Beachtung findet.

Herzlichst,

Ihr JeanLuc7

Nachtrag: Im richtigen Leben läuft es eben doch oft anders. In Nordrhein-Westfalen haben alle Parteien angekündigt, den Jugendmedienstaatsvertrag abzulehnen, der damit nicht zum 1.01. in Kraft treten wird. Kurt Beck hat daraufhin angekündigt, Sperrverfügungen zu erlassen und landet deshalb auf meiner Liste der Befürworter von Internetsperren. Ich bin gespannt, mit welchen Seiten er beginnen möchte.

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