Werte Leserinnen und Leser,
seit 2003 hat die Münchener Polizei gute Erfahrungen gemacht mit einer Anlaufstelle für Personen, die sich von Gewalt bedroht sehen. Die Berliner haben diese Idee an Silvester auf der Festmeile an der Straße des 17. Juni in den vergangenen Jahren ebenfalls umgesetzt – ein DRK-Zelt dient als Anlaufstelle. In diesem Jahr hat das Zelt nun ein zusätzliches Schild bekommen: „Women’s Safety Area“. Das Schild nutzt englische Sprache, und das kann man mögen oder nicht – es wendet sich offenbar an die Vielzahl von Touristen, die auf der Festmeile Silvester feiern. Berliner findet man dort eher selten.
Halten wir folgendes fest: Da wird seit Jahren ein Zelt aufgebaut, das als Anlaufstelle für alle, und eben nicht nur für Frauen, gilt. Leute, die sich bedroht fühlen, können dort einkehren. Nun kommt lediglich ein englischsprachiges Schild dazu.
Dann aber hat Rainer Wendet, seines Zeichens Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) und überführter Lügner in Sachen eigener Finanzen, die Sache für sich entdeckt und seinem Hausblatt, der Osnabrücker Zeitung, ein Interview gegeben. Er spricht dort von einer Sicherheitszone, die er für eine „verheerende Botschaft“ hält. Das sei „das Ende von Gleichberechtigung, Freizügigkeit und Selbstbestimmtheit“. Frauen sollten ein Anrecht darauf haben, überall sicher zu sein.
Nun ist Rainer Wendt bereits dafür bekannt, überall Feinde des Rechtsstaats, der Freiheit und der Demokratie zu sehen. Er hat darüber sogar ein Buch verfasst: „Deutschland in Gefahr: Wie ein schwacher Staat unsere Sicherheit aufs Spiel setzt„. Lesenswert ist jedoch eher die Rezension des Buches des ehemaligen BGH-Richters Thomas Fischer auf Zeit Online.
Rainer Wendts Äußerungen brachten es allerdings auch bis zur Deutschen Presseagentur, wo daraus eine „Nachricht“ generiert und verteilt wurde. ZEIT online (ZOn), ein gewöhnlich sehr liberales Medium, titelte daraus: „Sicherheitsbereich für Frauen stößt auf Kritik“ und im Untertitel: „Für Frauen, die sich bei der Silvesterparty in Berlin belästigt fühlen, wird es eine „Women’s Safety Area“ geben. Polizeigewerkschafter Wendt hält nichts davon.“ Damit hatte Wendt es sogar in die Titelbeschreibung des Artikels geschafft. Der Artikel berichtet auch davon, dass im Gegensatz zu Wendts Aussagen, die er offenbar als Chef der DPolG gettigt hat, die konkurrierende „Gewerkschaft der Polizei“ (GdP) die Einrichtung des Sicherheitsbereichs begrüßt.
Wendt erhält damit einen großen Bereich des Artikels eingeräumt: „Wer auf so eine Idee kommt, hat die politische Dimension nicht verstanden.“ Und hier taucht im Artikel der Begriff „Sicherheitszone“ auf, was dem Zelt des DRK bereits eine Größe verleiht, die es gewiss nicht hat. Es sei zudem noch einmal wiederholt, wie Wendt die Situation sieht“: nämlich das „Ende von Gleichberechtigung, Freizügigkeit und Selbstbestimmtheit.“
Neben Wendt fehlt offenbar auch der Vorsitzende der Jungen Union in Hamburg, Antonia Niecke, das nötige Wissen darüber, was da in Berlin tatsächlich geplant ist. Dennoch glaubt sie, sich über eine „Zone“ empören zu dürfen:
„Keine Frau wird ohne mulmiges Gefühl eine Silvesterparty genießen können, wenn sie schon weiß, dass eine derartige Zone für ihren Schutz nötig werden könnte“
Andere Medien sind nicht besser: „Schutzzonen für begrapschte Frauen gehören in Deutschland nun dazu„ titelt „Die Welt“. Die Hannoveraner Zeitung, der Focus, die Stuttgarter Zeitung – alle sind sie dabei und berichten über die „umstrittene“ Schutzzone in Berlin und geben Wendt nebenbei eine vielfach vergrößerte Plattform für seine rechten Reden.
Und nicht zuletzt sind da natürlich die einschlägigen facebook-Kanäle und die Kommentarbereiche der Zeitungen. da wird aus dem DRK-Zelt dem Rückzugsbereich dem Sicherheitsbereich der Sicherheitszone nun ein Reservat oder ein Gehege:
Nun ist ein Punkt erreicht, an dem Frauen im eigenen Land in eine Art „Reservat“ gesperrt werden…. „zu Ihrem eigenen Schutz“… da läuft doch grundsätzlich etwas ganz schwer aus dem Ruder!
Reservat? Ja, geht’s noch? Es ist ein Zelt, stupid! Was haben denn die Leute vor Vorstellungen im Kopf? Eingezäunte Bereiche nur für Frauen, Freigehege wie im Zoo? So dämlich kann man doch eigentlich gar nicht sein.
Und natürlich hängt für die rechten Echokammern alles mit der Silvesternacht 2015 zusammen. Vorher gab es in Deutschland nirgends Taschendiebe und schon gar keine Massenvergewaltiger. Aber ab jetzt brauchen unsere deutschen Frauen ein Reservat, das sie vor den schwarzen Vergewaltigerflüchtlingen schützt.
Zum Glück gibt es auch Lichtblicke, etwa diesen Kommentar auf ZOn
Leider ist nicht zu erkennen, ob der Herr Wendt oder der Autor des Artikels leichtfertig oder absichtlich aus einer sicher vernünftigen und harmlosen Anlaufstelle im DRK-Zelt eine »Sicherheitszone« gemacht hat, aus der dann in den Kommentaren eine Schutzzone wurde, in der Frauen quasi »eingesperrt« würden. Leider mal wieder ein dummer Artikel, der unnötig für Aufregung sorgt. Spiegel, SZ u.a. berichten da sachlich richtiger.
Und so ist es. Im Spiegel (bzw. dessen Ableger bento) wird klar benannt, was Tatsache ist und was Dichtung aus dem rechten Umfeld. Die dpa mag als Agentur ihre Aufgabe richtig gemacht haben – die Journalisten, die lediglich abgeschrieben haben, jedoch nicht
Mein Tipp: Ein paar DRK-Mitarbeiter in einem Zelt am Rande einer Party machen keinen Silvesterknaller. Überlassen wir das Krachen besser den Böllern.
Ein gutes und gesundes neues Jahr 2018 wünscht Ihnen herzlich
JL7