Liebe CDU-Sicherheitspolitiker,
derzeit ist Ihr Berufsstand medienpräsent wie selten. Nach dem endgültigen Fall des Zugangserschwernisgesetzes und den damit drohenden Internetsperren ist die Welt nun in Gefahr, weil seit einem Jahr keine Daten der Bürger mehr auf Vorrat gesammelt werden dürfen. Unzählige Verbrechen könnten nicht aufgeklärt werden, der allseits bekannte „rechtsfreie Raum“ droht uns, und nicht zuletzt sind da immer noch die Islamisten, die uns alle töten wollen. Danke, dass die Schünemanns, Bosbachs und Krings‘ unter Ihnen uns davor gewarnt haben. Dank Herrn Schünemann wissen wir nun auch, dass ein Risiko für die Sicherheit in Deutschland im Bundeskabinett sitzt und den Doppelnamen Leutheusser-Schnarrenberger trägt.
Die anlasslose Speicherung von Vorratsdaten wurde im vergangenen Jahr vom Bundesverfassungsgericht gekippt – aus gutem Grund. Die Bundesregierung hatte damals nicht schlüssig darlegen können, wofür die Daten genutzt werden und konnte außerdem kein Sicherungskonzept für unbefugte Zugriffe vorweisen. Die eigentliche Speicherung wurde vom Gericht nicht kritisiert.
Jetzt, ein Jahr später, sind die Fronten noch genauso aufgestellt wie damals. Die einen lehnen die Speicherung komplett ab, weil sie massiv in Freiheitsrechte eingreift. Dank Malte Spitz wissen wir inzwischen auch, wie sehr wir vom Staat bespitzelt werden. Auf der anderen Seite gibt es aber auch keinen Versuch, die vom Gericht als unzulässig kritisierten Stellen des Gesetzes durch konforme zu ersetzen. Liebe Sicherheitspolitiker, glaubt Ihr denn, Ihr könnt das Gesetz einfach wieder in Kraft setzen und alles wäre gut?
Nehmen wir die Anforderungen des Gerichts einmal ernst. Dann müssten folgende Punkte gelöst werden
- Die Daten müssen dezentral gespeichert und mit besonderen Maßnahmen gesichert werden.
- Die Nutzung der Daten durch Behörden muss auf genau spezifizierte Fälle schwerster Kriminalität beschränkt bleiben.
Der erste Punkt lässt sich nur in Zusammenarbeit mit den Providern lösen. Bisherige Aktionen: keine.
Der zweite Punkt stößt den Sicherheitspolitikern noch ärger auf, denn „Schwerstkriminalität“ ist eng begrenzt auf Kapitalverbrechen, Verbrechen mit terroristischem Hintergrund und Kinderpornografie. In keine dieser Kategorien passen die Raubkopierer oder Internetbetrüger. Die allermeisten Muslime sind auch keine Islamisten und passen daher auch nichts ins Raster. Es sieht also schlecht aus für die angestrebten großen Fahndungserfolge durch die Vorratsdatenspeicherung. Bisherige Aktionen bei der Lösung dieses Punkts: keine.
Statt dessen wird mantrahaft die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung gefordert, als sei sie die Antwort auf alle Fragen. Dabei ist längst nicht erwiesen, ob die massenhafte Sammlung von Daten über die eigenen Bürger überhaupt einen Effekt hat. Eine Sachstandsanalyse des wissenschaftlichen Dienst des Bundestags hat in der EU keine Hinweise dafür gefunden, dass eine verdachtsunabhängige Protokollierung von Nutzerspuren den Ermittlern nachweisbar bei ihrer Arbeit hilft.
„In den meisten Ländern kam es in den Jahren 2005 bis 2010 zu keinen signifikanten Änderungen der Aufklärungsquote.“
Es scheint, als gebe es den beklagten rechtsfreien Raum gar nicht. Klar ist jedoch, dass die Vorratsdatenspeicherung einen massiven Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger darstellt. Warum also das ganze? Damit Unbelehrbare in der CDU ruhig schlafen können?
Mein Vorrat an Geduld ist aufgebraucht. Begraben Sie das Thema, und nehmen Sie am besten das Loch, das Sie schlussendlich für das Zugangserschwernisgesetz gegraben haben. Beide Gesetze passen gut zusammen.
Herzlichst,
Ihr JeanLuc7