Werte Leser,
kennen Sie das auch? Bei manchen Menschen kann man sich von vornherein festlegen: deren Vorschläge sind immer falsch, und man braucht nur das Gegenteil vertreten, um Erfolg zu haben oder Recht zu bekommen. Oft reicht auch schon die Nennung eines Themas, und man weiß, dass diese Menschen wieder einmal auf der falschen Seite stehen werden.
Derzeit erinnert mich der Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU, Günter Krings, an einen solchen Menschen. Bis zuletzt hat er gefochten für das Zugangserschwernisgesetz. Sogar nach dessen Aufhebung erklärte er, nach wie vor dafür zu sein, neben Bemühungen zum Löschen von Kinderpornografie im Web Sperren als zusätzliches Mittel vorzusehen. Die vom BKA erzielten Löscherfolge relativierte er: Es sei eine „Wertungsfrage“, ob man es als ausreichend erachte, wenn das inkriminierte Material erst nach vier Wochen zu 99 Prozent gelöscht sei.
Dieser Tage nun durfte ich seine Äußerungen am Rande einer Buchpräsentation in einem Bericht auf heise.de zur Kenntnis nehmen. Da es sich um einen ganzen Strauß kommentierungswürdiger Aussagen handelt, arbeiten wir uns am besten Stück für Stück durch das Dickicht des Krings’schen Vorstellungswaldes.
Diskussionen in der Netzgemeinde hätten sektenartige Züge angenommen, es sei dort von einer Freikirche zu sprechen.
Der Vergleich mit einer Freikirche mag für jemanden aus der christlich-demokratischen Union nahe liegen. Aber auch wenn die hohe Zahl der Internetnutzer der politischen Kaste der Internetausdrucker Angst einflößt, handelt es sich bei der sogenannten „Netzgemeinde“ doch um eine sehr heterogene Gruppe mit ganz unterschiedlichen Interessen, die nur eins eint: ein deutlich besseres Verständnis für moderne Kommunikationsmöglichkeiten. Der ohnehin fragwürdige Begriff der „Netzgemeinde“ sollte keinesfalls im kirchlichen Sinne falsch verstanden werden.
Wenn eine solche heterogene Gruppe sich jedoch vereinigt, um gegen eines der Sicherheitsgesetze zu kämpfen, dann bedeutet das vor allem eines: am Gesetz ist mit Sicherheit etwas faul.
So werde etwa oft die Richtergenehmigung vor staatlichen Eingriffsbefugnissen „erhöht“, als ob damit eine „demokratische Weihe durch Handauflegung“ verbunden sei.
Herr Krings startet hier hoffentlich kein Angriff auf die Judikative als dritte Gewalt im Staate? Der Richtervorbehalt wird vor allem deswegen so oft genannt, weil Regierung und Parlament (als die beiden anderen Gewalten im Staat) in der Vergangenheit mehrfach Gesetze eingebracht und verabschiedet haben, die schlampig und nicht grundgesetzkonform waren. Wenn man in Regierung und Parlament weniger Forderungen nach Richtergenehmigungen wünscht und statt dessen mehr Vertrauen einfordert, dann mache man bitte seine Arbeit besser.
Krings kritisierte zugleich den Internetkonzern Google scharf, da dieser mit großer „Arroganz“ an die deutsche Rechtsordnung und die Medienlandschaft herangehe. Obwohl der Suchmaschinenprimus mit Werbung im Netz mehr Umsatz mache als alle deutschen Zeitungsverlage, sei er etwa auch bei YouTube nicht bereit, für die Musiknutzung zu zahlen.
Es lohnt sich kaum, auf diesen Vorwurf einzugehen, denn er fasst im Aignerschen Stil mehrere Punkte verkürzt und ohne Sachkenntnis zusammen. Die seltsam anmutende Kombination von Werbeeinnahmen und Musiklizenzen erklärt sich daher, dass Herr Krings auch ein Befürworter des unsäglichen Leistungsschutzrechts für Verlage ist.
Eine Kulturflatrate lehnte Krings als zu weit gehend ab, da damit nur der belohnt werde, „der möglichst viel rafft“. Er appellierte an Provider, Internetzugänge bei wiederholten Urheberrechtsverstößen gegebenenfalls in Eigenregie zu kappen: Wenn ein Zugangsanbieter wisse, dass jemand einen Anschluss überwiegend für illegale Downloads nutzt, könne er „kein ehrbarer Kaufmann“ sein, wenn er diesen aufrechterhalte.
Nun also noch die Kulturflatrate und die Pauschalschelte für alle Internetprovider. An die Moral der Internetprovider hat zuletzt eine andere CDU-Politikerin appelliert: Frau von der Leyen wollte mit den Zugangsanbietern Verträge schließen, die diese in Eigenregie zur Sperrung von Webseiten zwingen. Bereits damals war dieses Ansinnen von Juristen als nicht haltbar abgelehnt worden und resultierte im inzwischen aufgehobenen Zugangserschwernisgesetz. Ein ausgewiesener Rechtsexperte wie Herr Krings sollte aber wissen, auf welch dünnem Eis er sich da bewegt. Ehrbare Juristen würden einen solchen Vorschlag jedenfalls sicher nicht vertreten.
Manchmal braucht man einen besonderen Anlass, um aus der selbst gewählten Ecke wieder herauszukommen. Vielleicht findet sich auch einer für Herrn Krings und seine überhöhte Feindsicht auf das Internet.
Herzlichst
Ihr JeanLuc7
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Update: Herr Krings hat sich in der Mitteldeutschen Zeitung zu den Vorwürfen des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar zur Umsetzung des Datenschutzes in der Politik geäußert. Raten Sie mal, welche Meinung er vertritt…
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