Werter Herr Innenminister Friedrich,
hiermit bewerbe ich mich um die von Ihnen zwar nicht ausgeschriebene, aber offenbar nach wie vor vakante Position des „Beraters für Internetfragen“. Seit Jahren verfolge ich als verfassungstreuer Bürger mit Sorge die hilflosen und teilweise auch fragwürdigen Versuche der wechselnden Regierungen und gerade auch der Mitglieder Ihrer Partei CSU und Ihrer Schwesterpartei CDU, das Internet unter ihre Kontrolle zu bringen.
Leider sind die von Ihnen und Ihren Parteifreunden gewählten Mittel bisher weder erfolgreich noch tauglich gewesen, dieses Ziel zu erreichen. Weder konnten Sie mithilfe der Stopp-Schilder gegen Kinderpornographie eine Zensur-Infrastruktur aufbauen, noch haben Sie es geschafft, durch ständiges Wiederholen der Formel „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein“ die Menschen im gewünschten Maße zu ängstigen und zu täuschen.
Auch Ihr neuster Versuch ruft bei Experten nur Kopfschütteln hervor. Denn Ihre Forderung, Blogger dürften nicht mehr anonym schreiben, ist in Deutschland seit Jahren Wirklichkeit. Hierzulande besteht nämlich eine Impressumspflicht, und in diesem Impressum muss man den eigenen Namen, die Adresse und sogar eine Mailadresse angeben. Hat Ihnen das denn wirklich niemand vorher gesagt?
Es gibt – ganz abgesehen von diesem auch im Internet gelten Recht – allerdings eine Menge guter Gründe gegen eine Klarnamenpflicht, beispielsweise diese (teilweise hier entnommen):
- „Ich lebe im Iran und habe Angst vor Verfolgung durch die Regierung.“
- „Ich bin schwul und meine Familie lebt in einem kleinen Dorf, wenn das dort bekannt wäre, würden sie Probleme bekommen.“
- „Ich nutze ein Pseudonym, um sicherer zu sein. Als Frau bin ich auf der Hut vor Internetbelästigungen.“
Nur ein Land wie unseres, in dem Freiheitsrechte eine hohe Bedeutung haben und der demokratische Rechtsstaat gut funktioniert, kann sich eine Klarnamenpflicht an manchen Stellen leisten.Dennoch gehört Anonymität im Internet ebenso zur bürgerlichen Freiheit wie die Anonymität auf der Straße und in der Öffentlichkeit.
Ein Minister aber darf sich fachliche Fehler oder aus Unkenntnis geborene Aussagen wie den jetzigen nicht leisten, auch wenn sie populistisch bei älteren Menschen vielleicht wirksam sein mögen. Denn die Jüngeren unter 45 werden Sie nicht mehr ernst nehmen. Daher mein Vorschlag: Stellen Sie mich ein und hören Sie auf mich! Mit mir als Berater für Internetfragen stellen Sie sicher, dass Ihnen zukünftig keine weiteren Fehler oder Fehleinschätzungen in Bezug auf das Internet unterlaufen. Finanzielle Angebote bitte an meine Adresse. Sie finden Sie in meinem Impressum.
Herzlichst,
Ihr JeanLuc7