Werter Hajo Schumacher,
da haben Sie in Ihrem Artikel ja gehörig Staub aufgewirbelt in den einschlägigen Foren und Gazetten mit Ihrer „Abrechnung eines Ex-Apple-Fans„. Gut, dass im Titel das Wort „Apple“ steht, andernfalls könnte man den Artikel fast mit dem Kommentar Ihres Kollegen Roland Nelles zum Fall Westerwelle verwechseln.
Sie haben recht: Apple ist genauso wenig heute unser Heilsbringer wie das in den Neunzigern IBM mit OS/2 war – beide hatten mal den Status des Underdogs, und das macht es für Leute wie mich so reizvoll, sie zu unterstützen. Außerdem mag ich schlanke, schicke Gadgets, die nicht nach Baumarkt aussehen. Soweit, so gut. Heute haben viele Leute einen Mac, die früher nur billige Netbooks gekauft haben. Von iPads und iPhones will ich gar nicht reden, die hat ja fast jeder wie früher den iPod. Kann man es ihnen verübeln? Es sind doch nach wie vor hübsche Geräte.
Apple ist in erster und auch letzter Linie ein Industriekonzern. Man hat dort in den letzten Jahren offenbar auf die richtigen Pferde gesetzt, womit man deutlich gewachsen ist – entgegen dem Industrietrend. Samsung beschreitet diesen Weg derzeit ebenfalls, und dort hat man auch sehr schöne, elegante Produkte – genau das macht Samsung so gefährlich für Apple. Offenbar beobachtet man Apple schon sehr lange; ich besitze einen bordeaux-weiß-glänzenden Fotodrucker dieser Firma, dessen Design und Verpackung bereits im Jahre 2006 äußerst offensichtlich an die damaligen Apple-Produkte angelehnt war.
Aber zurück zu Apple: Deren wichtigste Aufgabe ist es, Geld zu verdienen, und diese Aufgabe erledigen sie momentan sehr gut. Das wird sich auch wieder ändern; letztlich gibt es eine gewisse natürliche Grenze für die nutzbare Anzahl von i-Geräten. Der Vollständigkeit halber: Hewlett-Packard, die sich gerade von ihrer PC-Sparte wegen geringer Margen trennen wollen, haben einen dreimal höheren Marktanteil als Apple.
Herr Schumacher belächelt die Apple-Religion mit ihren Gläubigen. Aber zu Religionen gehören auch immer deren Hasser, und mit seiner Abrechnung macht sich Herr Schumacher leider wieder zum Teil des Geschehens. Von einer unabhängigen Position könnte er gleichzeitig das MacBook Air geil finden und den spiegelnden iMac für ein unnützes Stück Hardware halten. Er kann gleichzeitig iTunes benutzen und trotzdem die Medienbeschränkungen von iTunes kritisieren. Derzeit liegt beispielsweise Lion wie Blei auf meiner Festplatte – es wird noch einige Zeit dauern, bis ich mich damit anfreunde. Trotzdem habe ich es gekauft.
Ich kann sogar Frau Künast nicht mögen und trotzdem grün wählen.
Zum Angeben mit Gadgets gehören immer zwei, und solange die Leute noch aufblicken, wenn jemand „iPaddet“ (Aber Herr Schumacher! welch ein Deutsch!), wird es Menschen geben, die ein warmes Gefühl in der Brsut bekommen, wenn sie ihr iPad in der U-Bahn nur zur Schau aus der Tasche zu ziehen. So ist das seit ewigen Zeiten mit Autos, Markenkleidung, sekundären Geschlechtsmerkmalen und vielem anderen. Übrigens ist Gewöhnung der größte Feind des Angebens – heute schauen die Leute eher genervt, wenn man sein iPhone aus der Tasche holt.
Ich empfehle den Leuten, die mich fragen, passende Produkte, die ich für gut und brauchbar befunden habe. Einem potenziellen Kunden habe ich kürzlich vom iPad abgeraten und den amazon kindle empfohlen, weil er ein Gerät zum Lesen und ohne
Ablenkung suchte. Vorletzte Woche rief er an und bedankte sich für die Empfehlung, er ist glücklich damit. Anderen hingegen rate ich zum iPad, weil dessen Angebot zu ihren Anforderungen passt.
Es würde der Diskussionskultur generell gut tun, wenn alle einen Gang zurückschalten. Apple ist keine Religion, neue Apple-Produkte sind kein Schreine, und Apple-Restriktionen sind keine Dogmen. Aber die Welt bleibt farbig, und ein Produkt, das mir nicht gefällt, ist kein Grund, mit Apple und Steve Jobs „abzurechnen“ – ich kenne ihn nicht einmal.
Frau Künast kenne ich übrigens auch nicht.
Es grüßt Ihr JeanLuc7