Liebe Piraten-Abgeordneten und -mitarbeiter,
meinen Glückwunsch zum Einzug in das Berliner Abgeordnetenhaus, zu 8,9% der gültigen Wählerstimmen und zu 15 Sitzen. Wenn auch der Einzug in den letzten Tagen vor der Wahl schon kaum mehr fraglich war, so war doch die hohe Stimmenzahl (mehr als 120.000 der Zweitstimmen und über 60.000 der Erststimmen) überraschend. Dass in den Tagen darauf die Printmedien etwa die Hälfte der verfügbaren Fläche für Berichte über die Piraten reservierten, war dann schon fast wieder Normalität.
Wiederholt wurde in den Berichten auf nicht durchdachte Programme und unzureichendes Zahlenwissen hingewiesen. Wieder und wieder wurde in diesem Zusammenhang Andreas Baums Antwort auf die Frage nach der Schuldenhöhe Berlins zitiert. Tatsächlich sind es mehr als 60 Milliarden Euro, Tendenz nach wie vor steigend. In diesem Zusammenhang sollte man aber wissen, dass der rot-rote Senat in den letzten Jahren ein Sparprogramm aufgelegt hat, das die Netto-Neuverschuldung von über 4 Milliarden pro Jahr (CDU-Diepgen 2001) auf etwas über 2 Milliarden pro Jahr (SPD-Wowereit 2010) gesenkt hat.
Ich möchte Euch von jetzt an aber erst einmal nicht weiter mit Zahlen langweilen. Mein Thema ist heute die Frage nach einer erfolgreichen und auch aussichtsreichen Parlamentsarbeit – wobei die erste Aussicht darin bestehen sollte, in zwei Jahren in den Bundestag einzuziehen. Denn derzeit schaut nicht nur die pirate-friendly community auf Berlin und die Piraten. Nach wie vor haben die Piraten gute Chancen auf Schlagzeilen, aber sie sollten im Auge behalten, dass die Schlagzeilen gut sind. Daher gibt es jetzt mein Drei-Punkte-Programm, frei nach Hoffmann von Fallersleben.
- Einigkeit! Die Piraten hatten angekündigt, dass die Sitzungen der Fraktion offen einsehbar sein werden. Auch die Meinungsfindung mit Elementen wie Liquid Democracy wird zu einem bunten Strauß von Ideen und Ansichten führen. Die Journalisten diskutieren bereits, wie sinnvoll es sei, den Streit innerhalb der Fraktion (oder der Partei) auch noch öffentlich zu dokumentieren. JeanLucs einfache Antwort: Make it so! Aber – einigt Euch. Und steht nachher zu Eurer Einigung. Wie sehr ein nachträgliches „Ich war ja eigentlich für etwas anderes“ eine politische Partei ruinieren kann, zeigt das derzeitige Vergilben der FDP.
- Recht! Alles, was in Deutschland und auch in Berlin geschieht, sollte im Rahmen des Rechts geschehen. Man kann für eine Änderung des Urheberrechts kämpfen, aber man muss das geltende Recht achten. Die Presse – und natürlich auch gegebenenfalls politische Gegner – werden jede Kleinigkeit, jeden Verdacht auf Unregelmäßigkeiten im Umgang mit dem Rechtsstaat gnadenlos ausnutzen. Zeigt Ihnen, dass Piraten nur in Somalia kriminell sind und überall sonst nicht einmal ordnungswidrig.
- Freiheit! Da wären wir beim Lieblingsthema der Piraten. Hier könnt Ihr praktisch alles fordern, denn das Gebiet der Bürgerrechte wird von den anderen Parteien so gut wie nicht bedient. Frau L-H, das Feigenblatt der FDP, wird sich nicht mehr lange gegen die Vorratsdatenspeicherung wehren, die SPD vertritt Bürgerrechte nur in der Opposition, und die Grünen gängeln die Bürger lieber mit Verboten. Zeigt ihnen, dass es anders geht. Wenn Ihr dabei Immanuel Kants und Helmut Schmidts goldene Regel nicht vergesst, könnt Ihr auf diesem Gebiet nicht verlieren, sondern nur gewinnen. Mein Tipp: voller Einsatz bei der Freiheit.
Und in meinem nächsten Blog schreibe ich, wie der Einzug in den Bundestag gelingen wird.
Alles Gute und viel Erfolg!
JeanLuc7